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Rieble, Zulieferercompliance als soziales Druckmittel

BB 2013, 245-251.

06.02.2013

Neuerdings mischen sich Arbeitnehmervertreter großer Industrieunternehmen bei ihren Zulieferern in Konflikte zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ein und fordern die Wahrung von Arbeitnehmerrechten aus eigenen Ethikrichtlinien. Dabei drohen sie implizit mit dem Abbruch der Lieferbeziehung wegen des angeblich sozialwidrigen Verhaltens. Zulieferer knicken ein und verzichten auf ihr Recht, Streitigkeiten vor Gericht zu klären.

Der Zulieferer hat einen individuellen Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatprinzip. Wenn der industrielle Abnehmer den Zulieferer von vorgesehenem Rechtsschutz abhalten will, wird empfindlich in dessen freien Zugang zu Gericht eingegriffen. Gehindert werden darf der Zulieferer nur an einer haltlosen, unvertretbaren Geltendmachung eines ersichtlich nicht bestehenden Rechts. Einen Verzicht auf prozessuale Geltendmachung findet man in Ethikrichtlinien nicht – sie wollen gerade Rechtstreue herstellen. Sollte ein solcher Verzicht dennoch vereinbart sein, scheitert er an der AGB-Kontrolle und an § 138 BGB.

Nimmt der Betriebsrat des Industrieunternehmens Einfluss auf den Zulieferer, überschreitet er nicht nur die fixe Zuständigkeitsgrenze des BetrVG und agiert ultra vires, sondern behindert den Zulieferer-Betriebsrat in strafbarer Weise. Marktbeherrschende und marktstarke Unternehmen verletzen durch die Einflussnahme § 20 Abs. 1 GWB. Durch einen – von einem Compliance-System gedeckten – Eingriff bei den Zulieferern wird das Compliance-System selbst rechtswidrig eingesetzt und somit funktionsuntüchtig.


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