ZAAR - Zentrum für Arbeitsbeziehungen und Arbeitsrecht
print

Links und Funktionen

Navigationspfad


Inhaltsbereich

Latzel, Schutz vor rückwirkendem Recht kraft Unionsrechts

EuR 2015, 415-440

20.08.2015

Das Rückwirkungsverbot ist nach hergebrachter Karlsruher Lesart in der Praxis selten hilfreich. Um Rechtstreue bemühte Rechtsunterworfene werden insbesondere durch rückwirkende Rechtsprechung regelmäßig vor den Kopf gestoßen.

Das Unionsrecht verspricht den prospektiv agierenden Rechtsunterworfenen eine deutlich sicherere Rechtslage und verdrängt zunehmend die hierzulande als »Vertrauensschutzdogmatik« doppelt euphemistisch titulierten Rückwirkungswust: Sobald eine Rechtsfrage irgendwie primär- oder sekundärrechtlich determiniert ist, sind Rechtssicherheit und Vertrauensschutz ausschließlich nach unionsrechtlichen Maßstäben zu beurteilen. Das heißt: Richter- wie Gesetzesrecht dürfen nur zurückwirken, wenn das ein Allgemeininteresse gebietet, das sich aus dem materiellen Gehalt des konkreten Rechts speist und auch noch rückwirkend zu verwirklichen ist. Dabei darf nicht das Vertrauen der Betroffenen in die bisherige Rechtslage (selbst soweit sie unionsrechtswidrig war) enttäuscht werden. Entgegen der allgemeinen Meinung sind auch EuGH-Entscheidungen im nationalen Recht nicht ohne weiteres rückwirkend umzusetzen, selbst wenn der EuGH seine Rechtsprechung nicht auf die Zukunft beschränkt hat.

Folglich ist etwa die unbeschränkte Rückwirkung der CGZP-Rechtsprechung des BAG unionsrechtswidrig, dafür aber die beschränkte Rückwirkung der BAG-Rechtsprechungsänderung zu Massenentlassungen unionsrechtskonform.

Gliederung:

I. Retrospektive Rechtsfindung: strikt oder empathisch

  1. Empathische Rechtsfindung: BAG zu Massenentlassungen
  2. Strikte Rechtserkenntnis: BAG zu tariffähigen Spitzenorganisationen
  3. Verfassungsrechtlicher Hintergrund und Folgerungen

II. Unionsrechtlicher Schutz vor rückwirkendem Recht

  1. Anwendungsbereich unionsrechtlicher Rechtssicherheit
  2. Anforderungen unionsrechtlicher Rechtssicherheit
  3. Unzulässig rückwirkende Tarifrechtsprechung

III. Praktische Wirksamkeit unionsrechtlicher Rechtssicherheit

  1. Prüfauftrag für die nationalen Gerichte
  2. Rechtssicherheit durch nationale Gerichte
  3. Verhältnis zu nationalem Vertrauensschutz
  4. Europäischer statt deutscher Vertrauensschutz bei Massenentlassungen

IV. Fazit


Servicebereich