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Rieble, Tarifeinheit nach Karlsruhe

NZA 2017, 1157-1161

29.09.2017

Welche Konsequenzen sind aus den einfachrechtlichen Anpassungen des § 4a TVG, die das BVerfG mit seiner Entscheidung zum Tarifeinheitsgesetz verfügt hat (NZA 2017, 915), zu ziehen? Wie ist im Falle keiner bzw. unzureichender Umsetzung der vom BVerfG verlangten Gesetzesänderung zu verfahren?

Gegen die automatische Nichtigkeit des § 4a TVG mit Ablauf des 31. Dezembers 2018 spricht, dass das BVerfG in seiner Entscheidung keine explizite Kassation angeordnet hat. Darum bleibt den Beschwerdeführern die Anregung einer Vollstreckungsanordnung oder eine Verfassungsbeschwerde gegen das gesetzgeberische Unterlassen einer verfassungsmäßigen Neuregelung.

Indes schützen die vorläufigen Maßgabe des BVerfG aus seiner Sicht die Angehörigen der Minderheitsgewerkschaft hinreichend – werfen aber Fragen auf:

  • Die Tarifverdrängung muss ihrerseits tarifdispositiv sein. Entscheidet also ein kollektiver Schuldvertrag über die normative Tarifgeltung?
  • Eine Verdrängung soll ihre Grenze finden, soweit subjektiv aus Sicht der Mehrheitsgewerkschaft oder aus einer objektivierten Perspektive neben dem anwendbaren Tarifvertrag weitere inhaltliche Regelungen anwendbar bleiben sollen. Dass es subjektiv auf den Willen der Mehrheitsgewerkschaft ankommen könne, ist einfachrechtlich nicht nachzuvollziehen.
  • Ein einmal erreichter tariflicher Besitzstand soll vor ersatzloser Verdrängung besonders geschützt werden. Das BVerfG sagt nicht, ob es darauf ankommt, dass die Minderheitsgewerkschaft ihr Nachzeichnungsrecht auch entsprechend ausübt.
  • Die Minderheitsgewerkschaft soll vollständige Nachzeichnung des Mehrheitstarifvertrags verlangen können. Die Minderheit bleibt demnach ungeschützt, wenn die Mehrheitsgewerkschaft für die Minderheit keine angemessenen Arbeitsbedingungen vorhält.
  • Die Mehrheitsgewerkschaft soll – wenn sie die Verdrängungswirkung will – die Angehörigen der Minderheit tarifpolitisch »mitbetreuen« müssen. Mit der Teilhabe der Gewerkschaftsmitglieder an der tarifpolitischen Willensbildung wird es dann etwas schwierig.

Durch die vorläufige Anpassung des § 4a TVG bis zur qualifizierten Neuregelung überschreitet das BVerfG sowohl seine demokratischen als auch fachlichen Kompetenzen.


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