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Rieble, Heinsberg

Myops, Heft 14 (Januar 2012), S. 43 ff.

01.02.2012

In Heinsberg gibt es ein Amtsgericht. An dem trug sich ein kurioser Fall zu, der über den Zustand der deutschen Justiz mehr aussagt, als dieser lieb sein kann:

Eine Rechtsanwältin erkrankte körperlich schwer und sah sich außerstande, ihre hauptsächlich aus Betreuungen bestehende Arbeit weiter auszuüben. Sie bat daher schließlich das Amtsgericht, sie aus sämtlichen Betreuungen zu entlassen. Daraufhin ergriff der Amtsgerichtsdirektor eine erstaunliche Maßnahme: Er stellte die nur physisch erkrankte Betreuerin selbst unter Betreuung – ohne Anhörung, ohne Untersuchung, ohne persönlichen Eindruck. Der Richter wollte offenbar nur die von der Rechtsanwältin bislang wahrgenommenen Betreuungssachen leichter abwickeln können. Obwohl die Rechtsanwältin zwischenzeitlich wieder handlungsfähig geworden war, ordnete das Gericht – ohne Anhörung, ohne Untersuchung, ohne persönlichen Eindruck – später einen Betreuerwechsel an. Die bisherige Betreuerin hatte hingegen die Aufhebung der Betreuung beantragt.

Nach einem obszönen Rechtfertigungsversuch des Amtsrichters beschritt die Rechtsanwältin einen mühsam-erfolglosen Weg durch die Instanzen. Erst das BVerfG hob schließlich den Betreuungsbeschluss des Amtsgerichts sowie die Rechtsmittelentscheidungen des LG Aachen und des OLG Köln auf. Gleichwohl blieb die Strafanzeige gegen den Amtsrichter wegen Rechtsbeugung bei der Staatsanwaltschaft Aachen wie der Generalstaatsanwaltschaft Köln erfolglos; ebenso ein von der Rechtsanwältin angestrengtes Klageerzwingungsverfahren.

Der Fall ist eine einzige Katastrophe. Die Betreuung der Betreuerin wurde zweckwidrig eingesetzt, um deren Betreuungen abzuwickeln. Die Rechtsanwältin wurde zu einem hilflosen Objekt in einem ihr nicht zugänglichen Verfahren, bei dem die elementarsten Verfahrensrechte ignoriert wurden.


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