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Klumpp/Jochums, Die Rechtsfolgen des Widerspruchsrechts bei Betriebsübergang

Jus 2006, 687

01.08.2006

Wechselt ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtgeschäft den Inhaber, wandern die Arbeitsverhältnisse der dort beschäftigten Arbeitnehmer gem. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB qua Gesetz zum neuen Inhaber. Die Vorschrift sorgt zugunsten des Arbeitnehmers für einen umfassenden Bestandsschutz des Arbeitsverhältnisses, zwingt ihm aber zugleich mit dem Erwerber einen Vertragspartner auf, den er nicht frei gewählt hat. Die negative Vertragspartnerwahlfreiheit gebietet es deshalb, daß der Arbeitnehmer dem gesetzlichen Übergang seines Arbeitsverhältnisses widersprechen kann. Dieses Widerspruchsrecht ist seit dem 1.4.2002 in § 613a Abs. 6 BGB kodifiziert.

So klar Tatbestand und Rechtsnatur dieses Widerspruchsrechts sind, so unklar sind seine Rechtsfolgen – was nicht zuletzt daran liegt, daß es der Gesetzgeber nicht bei der gebotenen Abwehr des Erwerber als Vertragspartner belassen, sondern dem Arbeitnehmer mit dem Widerspruchsrecht zugleich ein Verbleibe- bzw. Rückkehrrecht beim Veräußerer zukommen angedeihen lassen hat.

Die Probleme beginnen schon mit der Frage nach der unmittelbaren Wirkung des Widerspruchsrechts, deren Antwort insbesondere dann schwierig und praktisch relevant wird, wenn der Arbeitnehmer erst nach erfolgtem Betriebsübergang widerspricht: Wirkt der Widerspruch mit der herrschenden Meinung ex tunc mit der Folge, daß das Arbeitsverhältnis auch in diesem Fall mit dem Veräußerer auch über den Betriebsübergang hinaus als ununterbrochen fortgesetzt gilt? Oder wirkt er mit einer Mindermeinung ex nunc mit der Folge, daß das Arbeitsverhältnis erst mit dem Widerspruch zum Veräußerer zurückspringt? Die Autoren folgen im Ergebnis der herrschenden Meinung – freilich mit differenzierender Begründung.

Hierauf sind die Rechtsfolgenprobleme des § 613a Abs. 6 BGB keineswegs begrenzt: Ungeklärt sind etwa auch Fragen nach dem Annahmeverzug des Veräußerers, den Auswirkungen eines „Massenwiderspruchs“ auf den Tatbestand des Betriebsübergangs, vor allem aber mit Blick auf eine im Anschluß an den Widerspruch vom Veräußerer ausgesprochene betriebsbedingte Kündigung durch den Veräußerer. Zentral ist hier die viel diskutierte Frage, ob und ggf. wie sich der Widerspruch auf die nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG geforderte betriebsweite Sozialauswahl auswirkt. Die Autoren kommen hier – entgegen der wohl überwiegenden Meinung – zu einem differenzierenden Ergebnis: Nur wenn der Arbeitnehmer nach seinem Widerspruch einem sozialauswahlrelevanten Betrieb angehört (Stichwort: Betriebsspaltung), ist eine Sozialsauswahl durchzuführen, dann aber unbeschränkt und ohne Rücksicht darauf, daß der Arbeitnehmer nachvollziehbare Gründe für seinen Widerspruch vorbringen kann oder nicht.

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