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Latzel, Die Anwendungsbereiche des Unionsrechts

EuZW 2015, 658-664

16.09.2015

Wann ist der Anwendungsbereich des Unionsrechts eröffnet und wann nicht? Die Frage lässt sich so nicht beantworten, denn den Anwendungsbereich des Unionsrechts gibt es nicht:

  • Es gibt den formellen (prinzipiellen) Anwendungsbereich, der eröffnet ist, sobald irgendeine unionsrechtliche Pflicht die Mitgliedstaaten trifft (und sei es nur die Pflicht, die Mehrwertsteuer ordnungsgemäß einzutreiben). Der formelle Anwendungsbereich ist sehr weit, bringt aber nur universelle Grundrechte (Menschenrechte nach Art. 1-20 GRC, Justizgrundrechte nach Art. 47-50 GRC) und universelle Grundsätze (Verhältnismäßigkeitsprinzip, Rechtssicherheit) zur Anwendung, die insoweit nationale Standards verdrängen.
  • Alle übrigen Grundrechte müssen (sekundärrechtlich) aktiviert werden, sodass die materiellen Anwendungsbereiche des Unionsrechts je nach Integrationsstand stark divergieren. So ist etwa die Erstbefristung von Arbeitsverhältnissen bislang nicht durch eine Richtlinie geregelt, weshalb Art. 30 GRC (Schutz bei ungerechtfertigter Entlassung) für Erstbefristungen nicht gilt; sie unterfallen aber den Diskriminierungsschutzrichtlinien und in deren Umfang auch Art. 21 GRC (Nichtdiskriminierung). Letzteres gilt auch für Kopftuchverbote für Lehrer, welche das BVerfG gleichwohl an Art. 4 GG gemessen hat, obwohl für das GG insofern neben den unionsrechtlichen Diskriminierungsschutzregeln kein Raum ist.

Es kann also nicht über die unionsrechtliche Determinierung eines Sachverhalts, sondern stets nur über die Determinierung seiner einzelnen rechtlichen Aspekte eine Aussage getroffen werden.


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