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Rieble/Latzel, Wirtschaftsförderung nach sozialen Kriterien

Am Beispiel der Leiharbeit (ZAAR-Schriftenreihe, Band 30)

01.10.2012

Soweit das (Bundes-)Arbeitsrecht nicht hinreichend »soziale« Arbeitsbedingungen bietet, bemühen die Länder immer häufiger ihre Möglichkeiten zur lenkenden Wirtschaftsförderung, um politisch gewünschte Mindestarbeitsbedingungen auf »weichem Wege« durchzusetzen. Staatliche Beihilfen und öffentliche Aufträge werden insbesondere danach vergeben, in welchem Umfang (Leiharbeitsquoten) bzw. unter welchen Bedingungen (equal-pay-Zwang) sich Unternehmen der Leiharbeit bedienen.

Das Beihilfenrecht der EU ist prinzipiell offen für soziale Kriterien, insbesondere wenn sie zur Schaffung von Arbeitsplätzen dienen. Es findet sich insoweit aber kein Bekenntnis zum »Normalarbeitsverhältnis«, sondern die EU betrachtet alle Beschäftigungsformen – einschließlich befristeter Beschäftigung und Leiharbeit – als prinzipiell gleichwertig. Differenzieren Beihilfenregelungen nach Beschäftigungsformen, können sie rechtswidrige, da sektorale Förderungen darstellen. Da die Leiharbeit unionsrechtlich einen eigenen Wirtschaftssektor bildet und die EU davon ausgeht, dass der Einsatz von Leiharbeit das Beschäftigungsniveau erhöht, sind Beihilfen nach Leiharbeitsquoten ohne vorherige Genehmigung der Kommission rechtswidrig.

Außerdem konkretisiert die Leiharbeitsrichtlinie das Unionsgrundrecht auf unternehmerische Freiheit zum »Grundrecht auf Leiharbeit«. Einschränkungen und Verbote des Einsatzes von Leiharbeit bedürfen deshalb eines rechtfertigenden Allgemeininteresses. Leiharbeitsquoten können indes weder mit der Förderung von »Normalarbeitsverhältnissen« noch Missbrauchsargumenten (EuGH, Kücük) gerechtfertigt werden. »Vorübergehend« ist aus unionsrechtlicher Sicht eindeutig arbeitnehmer-, nicht arbeitsplatzbezogen zu verstehen.

Auch das Vergaberecht der EU steht sozialen Vergabekriterien nicht prinzipiell entgegen. Gilt ein vergaberechtlicher Equal-pay-Zwang für in- wie ausländische Unternehmen gleichermaßen, ist er auch mit der Entsenderichtlinie vereinbar. Das daneben anwendbare Beschränkungsverbot der Dienstleistungsfreiheit steht aber Sonderarbeitsrecht bei Ausführung öffentlicher Aufträge entgegen (EuGH, Rüffert). Ist equal-pay normalerweise tarifdispositiv, muss es das bei Ausführung öffentlicher Aufträge auch sein. Ferner wird die Tarifautonomie von Verleihunternehmen durch Equal-pay-Pflichten unzulässig beeinträchtigt. Anders als bei der Tariftreue geht es hier nicht um eine Ausweitung der Tarifgeltung, sondern um deren partielle Abschaffung im zentralen Entgeltbereich.

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