ZAAR - Zentrum für Arbeitsbeziehungen und Arbeitsrecht
print

Links und Funktionen

Navigationspfad


Inhaltsbereich

Breschendorf, Freikündigungsobliegenheit zur Durchsetzung von Sonderkündigungsschutzrechten

BB 2007, 661

19.03.2007

Seit die Rechtsprechung die Kündigung sog. „Unkündbarer“ zulässt, hat sich der Pflichtenkatalog des Arbeitgebers zur Vermeidung einer solchen Kündigung stetig erweitert. Als letzte Bastion rücken nun die Rechtspositionen Dritter und des Arbeitgebers ins Visier der Gerichte. Erste Judikate der Instanzrechtsprechung verpflichten den Arbeitgeber bereits ggf. auch besetzte Arbeitsplätze freizukündigen, um eine Weiterbeschäftigung ordentlich unkündbarer Arbeitnehmer zu gewährleisten. Eine Klarstellung des BAG fehlt: Bislang konnte das Gericht diese Frage offen lassen (zuletzt in der Entscheidung vom 18. 5. 2006 – 2 AZR 207/05, BB 2007, 668). Trotz zahlreicher Stellungnahmen zur Zulässigkeit der „Außerordentlichen Kündigung mit notwendiger Auslauffrist“ wird die Frage der Freikündigungsobliegenheit im Schrifttum kaum ausführlich diskutiert. Für die beratende Praxis bestehen erhebliche Unsicherheiten, entscheidet sich doch am Punkt der Freikündigungsobliegenheit einmal mehr, ob betriebsbedingte Kündigungen – nicht nur der besonders Geschützten, sondern auch und gerade die der Drittbetroffenen – wirksam sind.

Der Beitrag kommt zu dem Ergebnis, dass Tarif- und einzelvertraglicher verstärkter Kündigungsschutz nicht zu einer Freikündigungsobliegenheit des Arbeitgebers führen kann. Sonderkündigungsgeschützte Arbeitnehmer sind zwar nicht in den Verdrängungswettbewerb der Sozialauswahl einzubeziehen. Zu einer Verdrängung kommt es erst, wenn der verbleibende Beschäftigungsbedarf auch für die besonders Geschützten nicht ausreicht. Die Annahme einer darüber hinausgehenden Freikündigungsobliegenheit würde aber die systemimmanenten Grenzen des Kündigungsschutzes verkennen. Die Rechtsordnung lässt eine Kündigung, die nur dem Zweck dient einen Arbeitsplatz für einen anderen Arbeitnehmer freizumachen, nicht zu. Kein Arbeitnehmer kann aus individuellem Bestandsschutzinteresse die Kündigung eines anderen Arbeitnehmers verlangen. Eine Ausnahme besteht nur im Anwendungsbereich des § 15 Abs. 5 KSchG: Hier lässt sich der Eingriff in geschützte Drittinteressen ausnahmsweise mit der speziellen gesetzlichen Wertung der dem Kollektivschutz dienenden Ausnahmevorschrift rechtfertigen.


Servicebereich