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Giesen, Arbeits- und beitragsrechtliche Folgen der CGZP-Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts

ZAAR Schriftenreihe Band 25

17.10.2011

Am 14.12.2010 entschied das Bundesarbeitsgericht, dass die Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) unfähig sei, Tarifverträge zu schließen. Dieser so genannte CGZP-Beschluss kam überraschend - zumindest was seine neuartige und formal argumentierende Begründung betrifft. Obwohl die Entscheidung prozessual nur für die Gegenwart und die nähere Zukunft Bindungswirkung hatte, schlossen die Sozialversicherungsträger aus ihr, dass die Tariffähigkeit der CGZP auch in der Vergangenheit nicht bestanden habe. Deshalb seien auch die von ihr geschlossenen Tarifverträge rückwirkend als unwirksam anzusehen. Normalerweise führt die Unwirksamkeit von Tarifverträgen dazu, dass den Arbeitnehmern statt des tarifvertraglich geregelten das übliche Arbeitsentgelt zu zahlen ist. Anders in der Zeitarbeit. Hier ist der Arbeitgeber verpflichtet, dem Arbeitnehmer mindestens dasjenige an „wesentlichen Arbeitsbedingungen“ einschließlich Arbeitsentgelt zu gewähren, was vergleichbaren Arbeitnehmern im Entleihbetrieb zusteht („equal treatment“, § 10 Abs. 4 AÜG). Dieser Entgeltsatz liegt in der Regel weit oberhalb des in der Zeitarbeit Üblichen.

Die Sozialversicherungsträger vertreten den Standpunkt, diejenigen Zeitarbeitsunternehmen, welche in der Vergangenheit Tarifverträge der CGZP anwandten, müssten nachträglich für die letzten vier Jahre erhöhtes Arbeitsentgelt und somit auch entsprechend erhöhte Sozialversicherungsbeiträge melden und zahlen. Während nur wenige Zeitarbeitnehmer die betreffenden Entgeltansprüche geltend machen, wirkt die rückwirkende Beitragsforderung durch die Sozialversicherungsträger auf die Zeitarbeitsunternehmen existenzgefährdend. Die Sozialversicherungsträger gehen selbst davon aus, dass für die Mehrzahl von ihnen mit der Insolvenz zu rechnen sei.

In rechtlicher Hinsicht wirft dieses Geschehen eine ganze Reihe von Fragen auf. Vor allem geht es darum, ob die neue Rechtsprechung für die Vergangenheit erhöhte Lasten auslösen kann. Der CGZP-Beschluss entfaltet für die Vergangenheit keine Bindungswirkung. Außerdem haben Behörden die verfassungsrechtlichen Rückwirkungsverbote zu achten, die auch im Fall von Richterrecht eingreifen. Vor allem ergeben sich Widersprüche im Verhalten. Dieselben Sozialversicherungsträger, welche in der Vergangenheit streng die Einhaltung der CGZP-Tarifverträge überwachten, stellen heute exakt für dieselbe Vergangenheit erhöhte Beitragsforderungen.

Damit sind die Rechtsfragen, welche durch das Vorgehen der Sozialversicherungsträger aufgeworfen werden, nur ansatzweise umschrieben. Im Frühjahr 2011 bin ich von einem Zeitarbeitsunternehmen, das in der Vergangenheit CGZP-Tarifverträge angewandt hatte, beauftragt worden, zur Zulässigkeit nachträglicher Beitragsbelastung Stellung zu nehmen. Der vorliegende Text beruht auf dem betreffenden Rechtsgutachten, stellt aber eine stark erweiterte und überarbeitete Fassung dar.

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