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Picker, Anspruch auf Information über die Qualifikation von Mitbewerber/innen bei behaupteter Diskriminierung

Anmerkung zum Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 21.7.2011 (Rechtssache Kelly), EuZA 2012, 257-269.

27.03.2012

Überwiegend zustimmende Besprechung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 21.7.2011 (Rechtssache Kelly). Der EuGH hat in dieser Entscheidung erstmals zu der umstrittenen und rechtspraktisch bedeutsamen Frage Stellung genommen, ob ein abgelehnter Stellenbewerber, der geltend macht, er sei diskriminiert worden, gegen den Ausbilder oder Arbeitgeber einen Ausspruch auf Auskünfte über die Qualifikation der anderen Bewerber hat. Einen generellen Informationsanspruch des abgelehnten Bewerbers hat er zu Recht abgelehnt.

Europäischer Richtliniengeber wie deutscher Gesetzgeber haben sich bewusst für eine abgestufte Beweislastregel entschieden. Damit haben sie sich zugleich gegen einen generellen, verdachtsunabhängigen Auskunftsanspruch des abgelehnten Stellenbewerbers entschieden. Zwar kann ein nationales Gericht nach Ansicht des EuGH in besonders gelagerten Fällen gehalten sein, einen solchen Informationsanspruch dennoch zuzuerkennen. Unter welchen Voraussetzungen dies anzunehmen ist, lässt er jedoch offen. Nach der getroffenen Beweislastregelung muss jedenfalls der Anschein einer Diskriminierung conditio sine qua non für einen solchen Auskunftsanspruch sein. Ist ein Auskunftsanspruch nämlich bewusst nicht Inhalt der Richtlinienvorgaben geworden, so kann ein solcher grundsätzlich nicht mit dem Hinweis auf deren praktische Wirksamkeit begründet werden.

Rechtspolitisch erscheint ein genereller Auskunftsanspruch zwar gerade aus Sicht eines abgelehnten externen Stellenbewerbers wünschenswert. Dadurch würde jedoch der Rechtsschutz des Beklagten unangemessen verkürzt und in dessen Vertragsfreiheit unverhältnismäßig eingegriffen. Dies wäre aber nur gerechtfertigt, wenn Diskriminierungen im deutschen Arbeitsleben tatsächlich so häufig und gravierend sind, dass eine so weitreichende Freiheitsbeschränkung erforderlich ist. Zudem lässt sich auch die „praktische Wirksamkeit“ eines solchen Auskunftsanspruchs bezweifeln. Grund hierfür ist letztlich die fehlende Sach- wie Systemgerechtigkeit des europäischen Antidiskriminierungsprogramms insgesamt.


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