Giesen, Arbeitsrechtliche Fragen der Impf- und der Testverweigerung
ZFA 2021, 440-466
15.11.2021
Die Covid 19-Pandemie entwickelt sich dynamisch, ebenso ihre Bekämpfung. Testen und Impfen haben sich mittlerweile als erfolgreich erwiesen, weshalb die meisten Beschäftigten diese Möglichkeiten annehmen. Es ist nur eine Minderheit, die sich gegen Tests oder Impfungen wendet, aber gerade ihr Verhalten wirft arbeitsrechtliche Fragen auf.
1. Impfobliegenheiten
Der Arbeitgeber kann keine Covid 19-Impfpflicht anordnen, weil ihm ein diesbezügliches Weisungsrecht fehlt. Die Ausübung des allgemeinen Weisungsrechts nach § 106 GewO und seine arbeitsschutzrechtliche Ausprägung nach § 4 Nr. 7 i.V.m. § 15 Abs. 1 S. 1 ArbSchG bieten hierfür keine Grundlage. Jedoch kann und muss der Arbeitgeber gegebenenfalls in Wahrnehmung der genannten Pflichten Schutzvorkehrungen treffen, welche auf anderem Wege die Infektionsgefahr reduzieren oder ausschließen. Dies kann unter Umständen so weit reichen, dass er Nichtgeimpfte von bestimmten Tätigkeiten ausschließt.
In welchen Fällen ein solcher Ausschluss zulässig ist, hängt von den Infektionsrisiken ab, die betriebsmedizinisch insbesondere anhand der jeweiligen Situation im Betrieb und am Arbeitsplatz sowie anhand der allgemeinen Infektionslage zu ermitteln sind. Beispielsfälle sind nicht nur die Betreuung von Kindern und die Tätigkeit in der Geburtshilfe in der Pandemie. Daneben sind entsprechende Situationen überall dort denkbar, wo Beschäftigte insbesondere mit nicht Geimpften zusammentreffen oder mit Personen, deren Impfstatus unbekannt ist. Das kann sich auf alle Fälle des möglichen näheren Kontakts mit Arbeitskollegen und Kunden beziehen, etwa im Einzelhandel (Bekleidung, Supermärkte etc.) und in der Infrastruktur (Purser, Personenkontrollen am Flughafen), aber auch in der Produktion, vor allem beim Arbeiten „Hand in Hand“. Eine konkrete Einschätzung lässt sich hier nicht vornehmen, sondern muss jeweils betriebsmedizinisch erfolgen.
Sofern in der betreffenden Situation ein Arbeitnehmer aufgrund seiner Impfverweigerung nicht am bisherigen Arbeitsplatz eingesetzt werden kann, wird eine Kündigung meist nicht in Betracht kommen. Sie ist, da die Impfverweigerung des Arbeitnehmers nicht pflichtwidrig ist, lediglich als personenbedingte Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG denkbar. Fehlt es an der Einsetzbarkeit des nicht geimpften Arbeitnehmers, entfällt jedoch nach § 326 Abs. 1 S. 1 BGB sein Vergütungsanspruch.
Ein Anspruch des Arbeitgebers auf Auskunft über die Covid 19-Impfung aus § 16 ArbSchG, § 241 Abs. 2 BGB setzt voraus, dass die Informationserhebung zwecks Gesundheitsschutzes erforderlich und nach § 26 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 BDSG datenschutzrechtlich zugelassen ist. Der Arbeitnehmer muss am Arbeitsplatz potenziell Kontakt zu Menschen haben, für die ein Infektionsrisiko besteht. Ob auch Geimpfte hierzu zu zählen sind, bedarf einer näheren (betriebs-)medizinischen Beurteilung. Weiter ist erforderlich, dass sich die Kenntnis über die Impfung möglicherweise in den genannten Schutzvorgaben auswirkt; diese müssen also potenziell für Geimpfte anders sein als für Nichtgeimpfte. Unter diesen Voraussetzungen ist die Frage nach dem Impfnachweis nicht nur im bestehenden Arbeitsverhältnis zulässig, sondern auch im Bewerbungsstadium. Der Arbeitgeber kann bei der entsprechenden Relevanz den Impfnachweis fordern und bei Nichtvorlage von der Einstellung absehen.
2. Testpflichten
Im Gegensatz zum Impfen ist das Testen bereits für viele Arbeitsverhältnisse und auch jenseits dessen staatlich verpflichtend angeordnet worden. Zwar folgt aus § 4 SARS-CoV-2-ArbeitsschutzVO lediglich eine Pflicht des Arbeitgebers, geeignete Tests anzubieten, ohne dass der Arbeitnehmer das Testangebot wahrnehmen müsste. Jedoch bestehen auf Landesebene infektionsschutzrechtliche Testpflichten.
Neben diesen infektionsschutzrechtlichen Testpflichten existiert auch die Möglichkeit einer nach § 106 GewO, § 4 Nr. 7 i.V.m. § 15 Abs. 1 S. 1 ArbSchG arbeitsvertragsrechtlich oder arbeitsschutzrechtlich begründeten arbeitgeberseitigen Testanordnung. Die genannten Regelungen eignen sich zur Anordnung der Testpflicht, da zumindest die mittlerweile gängigen Schnelltests keine erheblichen Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit darstellen. Die Testanordnung muss zudem datenschutzrechtlich nach § 26 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 BDSG zugelassen sein. Dafür bedarf es einer auf den Schutz vor Ansteckungen bezogenen Erforderlichkeit. Die Testanordnung setzt deshalb voraus, dass die Getesteten am Arbeitsplatz (potenziell) mit anderen Personen zusammentreffen. Dem Gebot der Datensparsamkeit wird dadurch entsprochen, dass Testkartuschen sofort nach dem Test entsorgt werden, und dass jenseits der Abwicklung infektionsschutzrechtlich gebotener Meldungen keine Registrierung von Testergebnissen erfolgt.
Sofern nach den genannten Vorgaben die arbeitgeberseitige Testanordnung rechtmäßig ist, verstößt der Arbeitnehmer, wenn er den Test verweigert, gegen seine arbeitsschutzrechtlichen und arbeitsvertraglichen Pflichten. Wenn er aufgrund der Testverweigerung nicht eingesetzt werden kann, kommt es zur Unmöglichkeit der Arbeitsleistung nach § 275 Abs. 1 BGB. Unabhängig davon, ob ihn ein Verschulden trifft, verliert der Arbeitnehmer für die Zeit der Nichteinsetzbarkeit nach § 326 Abs. 1 S. 1 BGB seinen Vergütungsanspruch. Bei Fahrlässigkeit oder Vorsatz haftet er möglicherweise auf Schadensersatz.