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Giesen, „Arbeitskampf“ als Rechtsbegriff

Festschrift für Martin Henssler, 2023, S. 159–178

18.07.2023

Der Begriff „Arbeitskampf“ findet sich in einigen Gesetzesregelungen als Tatbestandsmerkmal, etwa in Art. 9 Abs. 3 S. 3 GG, § 2 Abs. 1 Nr. 2 ArbGG, § 11 Abs. 5 S. 1, S. 3 AÜG, § 74 Abs. 2 S. 1 BetrVG, § 66 Abs. 2 S. 2 BPersVG, §§ 100, 160, 380 SGB III. Diese Vorschriften enthalten allerdings keine Vorgaben für den Arbeitskampf. Sie setzen den Arbeitskampf vielmehr voraus und machen ihn für andere Regelungszwecke eben zum Tatbestandsmerkmal. Zudem wird der Begriff „Arbeitskampf“ nicht nur im Gesetzesrecht, sondern auch in der Rechtsprechung verwendet. Somit fragt sich, was „Arbeitskampf“ als Rechtsbegriff eigentlich bedeutet. Für die Klärung dieser Frage ist zu beachten, dass die Rechtsprechung, welche die Zulässigkeit von Arbeitskampfmaßnahme betrifft, den Begriff „Arbeitskampf“ nicht tatbestandlich verwendet. Sie subsumiert für die Rechtmäßigkeit bestimmter Kampfmaßnahmen andere Vorgaben, indem sie insbesondere auf den Zweck des Tarifvertragsschlusses abstellt.

Bei der Bestimmung des „Arbeitskampfs“ oder der „Arbeitskampfmaßnahme“ als Rechtsbegriff ist zwischen zwei Gruppen von Normen zu unterscheiden, nämlich erstens solchen, die tatbestandlich nur rechtmäßige Arbeitskampfmaßnahmen, und zweitens solchen, die tatbestandlich neben rechtmäßigen auch rechtswidrige Arbeitskampfmaßnahmen erfassen.

Der ersten Gruppe geht es darum, die betreffenden Maßnahmen gegen rechtliche oder tatsächliche Beeinträchtigungen zu schützen. Beispiele sind Art. 9 Abs. 3 S. 3 GG und § 11 Abs. 5 S. 1, S. 3 AÜG. Für diese Normen kann auf eine allgemeine Bestimmung des Begriffs „Arbeitskampf“ verzichtet werden. Hier bedarf es, wenn „Arbeitskampf“ subsumiert wird, schlicht der Rechtmäßigkeitsprüfung für die jeweilige Maßnahme.

Der zweiten Gruppe von Normen geht es darum, bestimmten Personen aufgrund von Neutralitätsvorgaben ein Risiko zuzuweisen, welches sie unabhängig von der Rechtmäßigkeit einer Arbeitskampfmaßnahme zu tragen haben. Beispiele sind § 74 Abs. 2 S. 1 BetrVG, § 66 Abs. 2 S. 2 BPersVG, §§ 100, 160, 380 SGB III. Auch die richterrechtliche Arbeitskampfrisikolehre ist hierzu zu zählen. Diese Normen haben gemeinsam, dass sie jedenfalls arbeitnehmerseitige Arbeitskampfmaßnahmen unabhängig davon erfassen, ob sie rechtmäßig sind oder nicht. Für sie gilt demnach ein weiter Begriff des „Arbeitskampfs“. Dieser hat sowohl den Zweck des Tarifvertragsschlusses als auch das jeweils gewählte Arbeitskampfmittel zu berücksichtigen.

Gleiches gilt auch für § 2 Abs. 1 Nr. 2 ArbGG. Diese Bestimmung greift unabhängig davon, ob eine Arbeitskampfmaßnahme rechtmäßig ist oder nicht. Es geht ihr darum, den gesamten Bereich kollektiver Konflikte einem Rechtsweg und einer Verfahrensart zuzuweisen. Auch für sie ist deshalb der genannte weite Begriff des „Arbeitskampfs“ zugrunde zu legen.


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