Rieble/Pingel/Vetter, Verfassungs- und Unionsrechtskonformität von Direktanstellungsgeboten
ZfA 2024, 372-398
06.08.2024
Direktanstellungsgebote verbieten Fremdvergabe. Rechtlich bedeuten sie ein (sektorales) Totalverbot des Einsatzes von Leiharbeit und Subunternehmern. Branchenbezogen besteht ein Direktanstellungsgebot bereits in der Fleischindustrie (§ 6a GSA Fleisch) und wurde kürzlich auch für die Kurier-Express- und Paketdienst-Branche diskutiert.
Deutschrechtlich ist ein Direktanstellungsgebot ein rechtfertigungsbedürftiger Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG: Der Unternehmer wird in seiner Organisationsfreiheit eingeschränkt, indem ihm der Abschluss von Überlassungsverträgen und Werkverträgen mit Subunternehmern verboten werden. Dabei ist die Organisationshilfe für Gewerkschaften kein legitimer Zweck zur Rechtfertigung. Die Koalitionsfreiheit (Art. 9 Abs. 3 GG) verpflichtet den Staat zur Neutralität in jeder Form der Auseinandersetzung der Sozialpartner. Die Direktanstellungsgebote sind auch nicht geeignet, den Arbeitnehmerschutz für Arbeitnehmer von Subunternehmern zu verbessern. Die Zuordnung zu einem anderen Arbeitgeber ändert an den Arbeitsschutzvorschriften nichts.
Europarechtlich verstößt ein Direktanstellungsgebot gegen die Leiharbeits-, Entsende- und Dienstleistungsrichtlinie sowie gegen die Berufsfreiheit (Art. 15 GRC) und die Unternehmerfreiheit (Art. 16 GRC). Ein Direktanstellungsgebot als sektorales Totalverbot schränkt zudem auch die Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AUEV) unverhältnismäßig ein. Darüber hinaus schreibt es Arbeitnehmern aus anderen Mitgliedsstaaten einen bestimmten Arbeitgeber vor und verletzt so die Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 45 AEUV). Ein sektorales Direktanstellungsgebot bewirkt zudem eine unzulässige Marktaufteilung (Art. 101 Abs. 1 lit. c Alt. 1 AEUV) und verstößt damit gegen das Unionskartellrecht (Art. 101 ff. AEUV).
Die bisherigen Untersuchungen haben die Organisationsfreiheit des Unternehmers und die Gewerkschaftsbegünstigung als potenziell illegitimen Zweck nicht ausreichend berücksichtigt. Zudem wurde das Unionskartellrecht weitgehend übersehen. Der Beitrag widmet sich besonders diesen bislang vernachlässigten Aspekten und liefert neue Erkenntnisse und Perspektiven zur rechtlichen Einordnung.