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Heblich/Norbury, Das Einfühlungsverhältnis

ZfA 2024, 508-533

15.11.2024

Das Einfühlungsverhältnis – d.h. das Rechtsverhältnis zwischen dem Arbeitgeber und dem Interessenten, der beim Arbeitgeber eine „Schnupperphase“ absolviert – ist ein Gestaltungsinstrument zur Berufsorientierung und Personalakquise. Es ermöglicht Interessenten, einen potentiellen Arbeitgeber und ein neues Arbeitsumfeld unverbindlich kennenzulernen, ohne zur Arbeitsleistung verpflichtet zu sein. Der Arbeitgeber kann sich als solcher präsentieren und erste Eindrücke von möglichen Bewerbern gewinnen.
Das Einfühlungsverhältnis ist weder ein bloß vorvertragliches Schuldverhältnis noch ein Arbeitsverhältnis, sondern vielmehr ein atypisches, einseitig verpflichtendes Vertragsverhältnis nach § 311 Abs. 1 BGB. Der Arbeitgeber verpflichtet sich zur Durchführung der Einfühlungsphase, während der Interessent keine Hauptleistungspflichten übernimmt. Der Einfühlungsvertrag ist weder als Wucher noch als wucherähnliches Geschäft nach § 138 BGB nichtig.
Arbeitsschutzrechtliche Vorschriften, die an die Arbeitnehmereigenschaft oder Beschäftigung anknüpfen, sind auf das Einfühlungsverhältnis nicht direkt anwendbar. Eine analoge Anwendung dieser Vorschriften ist abzulehnen, da die Interessenlagen nicht vergleichbar sind.
Sozialversicherungsrechtlich liegt keine Beschäftigung nach § 7 Abs. 1 SGB IV vor. Bei einem "produktiven Einfühlungsverhältnis" kann jedoch eine "Wie-Beschäftigung" nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII vorliegen.
Der Interessent haftet gegenüber dem Arbeitgeber nach allgemeinen Regeln, ohne von arbeitsrechtlichen Haftungsprivilegien zu profitieren. Für die Haftung des Arbeitgebers gegenüber dem Interessenten ergeben sich - abgesehen von der Haftung nach § 671 Abs. 2 Satz 2 BGB analog bei einer Kündigung ohne wichtigen Grund - keine Besonderheiten. Bei Schädigungen Dritter durch den Interessenten kann der Arbeitgeber nach §§ 280 Abs. 1, 278 Satz 1 Alt. 2 BGB sowie § 831 Abs. 1 BGB haften. Haftungsansprüche können unter den Voraussetzungen der §§ 104, 105 SGB VII beschränkt sein.

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