Latzel, Vorabentscheidungsverfahren und prozedurale Voraussetzungen richterrechtlicher Systembildung
Clavora/Garber (Hrsg.), Das Vorabentscheidungsverfahren in der Zivilgerichtsbarkeit, 2014, S. 73-102
29.07.2014
Systembildung steigert nicht nur die Rechtssicherheit, sondern der EuGH entlastet auch sich selbst, wenn die nationalen Gerichte nicht jeden Einzelfall vorlegen müssen, sondern selbständig nach der Dogmatik des EuGH lösen können. Indes trägt das Vorabentscheidungsverfahren selbst mit Schuld, dass sich gerade im Zivilrecht eine richterrechtliche Systematik nur schwer herausbildet. Zu den Ursachen zählt vor allem die die Abhängigkeit des EuGH von den vorgelegten Verfahren sowie die Geschäftsverteilung am EuGH, die eine Spezialisierung seiner Kammern bislang verhindert. In der Einrichtung von Fachkammern liegt auch das größte Systembildungspotential – mehr als einer Änderung der Geschäftsverteilung am EuGH bedarf es dafür nicht.
Weiteres Potential liegt in der Reflektion: Je mehr sich der Gerichtshof auf den Diskurs mit anderen Gerichten, den Generalanwälten sowie der Rechtswissenschaft einlässt, desto eher wird seine Rechtsprechung an Dogmatik und Berechenbarkeit gewinnen. Wenn der gesamte von einer Richtlinie geregelte Lebenssachverhalt in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fällt und insoweit der Auslegungskompetenz der Mitgliedstaaten entzogen ist, muss der EuGH diese Lücke füllen und darf nicht an die Stelle etablierter nationaler Rechtssysteme traurige Case-Law-Leere treten lassen.
Gliederung:
I. Systembildung durch den EuGH
- Vorabentscheidungsersuchen und Systembildung?
- Systembildungsversuche des EuGH
II. Zweck richterrechtlicher Systembildung
- Systembildung und Legal Judgement
- Systembildung aus Sicht der Richter
III. Systembildung durch Vorabentscheidungen
- Abhängigkeit von Vorlagen
- Bearbeitung von Vorabentscheidungsersuchen am EuGH
IV. Systembildungspotentiale
- Systembildung durch Spezialisierung
- Systembildung durch Diskurs
V. Fazit