ZAAR - Zentrum für Arbeitsbeziehungen und Arbeitsrecht
print

Links und Funktionen

Navigationspfad


Inhaltsbereich

Abbo Junker, Die Steuerung des Zivilprozesses durch das Kosten- und Streitwertrecht im anglo-amerikanischen System

ZZP 128 (2015), S. 3-28

15.04.2015

Der Beitrag erörtert die Frage, inwieweit Zivilprozesse in den Vereinigten Staaten von Amerika und im Vereinigten Königreich durch das Kosten- und Streitwertrecht gesteuert werden. Der Fokus liegt auf den USA (zu I). Der Beitrag geht von der These aus, dass das seit 1789 unverändert bestehende Recht auf Selbstvertretung vor Gericht (self-representation) heute dazu dient, Forderungen nach einer rechtlich verfassten Prozesskostenhilfe abzuwehren (zu I 1). Anders als vielfach vermutet funktioniert das voluntaristische Modell der Rechtshilfe (legal aid) in den Vereinigten Staaten nicht schlecht; es stellt in mancher Hinsicht das seit 2013 in England und Wales installierte System in den Schatten (zu II 2).

Aus rechtsvergleichender Sicht stehen die Anwaltsvergütung und die Prinzipien der Kostenerstattung im Vordergrund des Interesses. Verdient in den USA das Erfolgshonorar quota litis (contingency fee) besondere Aufmerksamkeit, so ist in Großbritannien der prozentuale Erfolgsaufschlag (conditional fee agreement) besonders interessant. Da in beiden Rechtsordnungen die isolierte Rechtsschutzversicherung als Form der BTE Insurance keine Rolle spielt, ist in den USA die Prozessfinanzierung (Third Party Financing, TPF) näher zu betrachten, während in Großbritannien die ATE (After the Event) Insurance Fragen aufwirft (zu III 1). Bei der Prozesskostenerstattung stehen sich die American Rule der Nichterstattung und die English Rule der Erstattung nicht diametral gegenüber, sondern kennen ungezählte Varianten und Ausnahmen. Payments into court (offers to settle) sind ein wichtiger Aspekt (zu III 2).

Schlussfolgerungen für die Steuerung des Zivilprozesses lassen sich für die Einleitung, die Durchführung und die Beendigung des Verfahrens ziehen. Die wichtigste Folge des US-amerikanischen Kosten- und Streitwertrechts ist die Ersetzung der Hauptverhandlung vor dem Prozessgericht (trial) durch ein quasi-privat organisiertes gegenseitiges „Abtasten“ und Ausforschen in der pre-trial discovery (zu IV). Darin manifestiert sich der Gegensatz, dass die USA im Zivilprozess vor allem auf die private Koordination durch die Anwaltschaft setzen, während in Deutschland die hoheitliche Koordination durch das Gericht vorherrscht. Dahinter stehen gegensätzliche Grundanschauungen in Form der competitive society auf der einen Seite und eines stärker sozial und vorsorgend orientierten Gesellschaftsmodells auf der anderen Seite.


Servicebereich