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Junker, Die Einflüsse des europäischen Rechts auf die personelle Reichweite des Arbeitnehmerschutzes

EuZA 9 (2016), 184-206

19.04.2016

Zusammenfassung in Thesen:

1. Nur soweit das Recht der Europäischen Union nicht auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, ist der Arbeitnehmerbegriff unionsrechtlich autonom zu verstehen, das heißt im Wege einheitlicher europäischer Auslegung zu gewinnen.
2. Der Ausgangspunkt ist die Lawrie-Blum-Formel, wonach das wesentliche Merkmal darin besteht, dass jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er eine Gegenleistung erhält.
3. Das Gebot der einheitlichen europäischen Auslegung des Arbeitnehmerbegriffs (Gegensatz: Verweisung auf das Recht der Mitgliedstaaten) bedeutet nicht, dass ein einheitlicher europäischer Arbeitnehmerbegriff für alle Regelungsmaterien existiert.
4. Die europäischen Arbeitnehmerbegriffe sind vielmehr kontextbezogen den jeweiligen Regelungszusammenhängen zu entnehmen. Selbst innerhalb ein und desselben Rechtsakts kann es je nach dem Zusammenhang mehrere Arbeitnehmerbegriffe geben.
5. Für die Arbeitnehmereigenschaft im Sinne des Unionsrechts spielt es keine Rolle, dass das Recht des betreffenden Mitgliedstaats das in Rede stehende Beschäftigungsverhältnis einer Person als ein Rechtsverhältnis anderer Art qualifiziert.
6. Die Lawrie-Blum-Formel entspricht im Kern dem Arbeitnehmerbegriff der deutschen Rechtsprechung, wonach die geschuldete Leistung nicht erfolgs-, sondern tätigkeitsbezogen, der Leistende weisungsgebunden und die Tätigkeit entgeltlich sein muss.
7. Das Gebot der weiten Auslegung des Arbeitnehmerbegriffs, das Erfordernis der tatsächlichen und echten Tätigkeit und die Irrelevanz der Herkunft der Vergütung passen nur in das Recht der Freizügigkeit, nicht aber in das Arbeitnehmerschutzrecht.
8. Der Gerichtshof vermengt unzulässigerweise Leistungserbringer, die wegen wirtschaftlicher Abhängigkeit als Arbeitnehmerähnliche anzusehen sind, und Personen, deren wahre Eigenschaft – die Arbeitnehmereigenschaft – das nationale Recht „verschleiert“.
9. In den Fällen der Verweisung auf das Recht der Mitgliedstaaten ist eine semi-autonome Auslegung, welche die Grenzen zur unionsrechtlich autonomen Bestimmung des Arbeitnehmerbegriffs verwirkt, wegen Kompetenzüberschreitung abzulehnen.
10. Für den Arbeitnehmerbegriff des Arbeitnehmerschutzrechts kann auf das Erfordernis der Produktivität nicht verzichtet werden; therapeutische Beschäftigung, bei der eine Leistung nicht geschuldet wird, begründet nicht die Arbeitnehmereigenschaft.


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