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Giesen, Von der Tarifeinheit zur Tarifpluralität zur Tarifeinheit - eine Zwischenbilanz

ZFA 2019, 40 ff.

26.02.2019

Der seit den 1950er-Jahren gültige Grundsatz der Tarifeinheit wurde von der Arbeitsgerichtsbarkeit in der Zeit von 2000 bis 2010 schrittweise aufgegeben. Nachdem das – damals gesetzlich nicht ausdrücklich normierte – Prinzip „ein Betrieb, ein Tarif“ in der Literatur zunehmend umstritten war, äußerten in den Jahren 2000 und 2006 auch die Vorsitzenden Richter des zuständigen 4. Senats des BAG in Publikationen und Vorträgen deutliche Zweifel. Dementsprechend entschieden ab 2003 die Landesarbeitsgerichte gegen die Tarifeinheit, etwa durch Zulassung von GDL-Streiks trotz Bestehens von Tarifverträgen größerer Gewerkschaften. Das ermöglichte unter anderem die größeren Ausstände der GDL im Jahr 2007. Im Jahr 2010 kam es offiziell zur Aufgabe der alten Rechtsprechung durch das BAG, und in der Folge, insbesondere 2011, 2014 und 2015, dominierten die Funktionseliten des Infrastrukturbereichs weiter das Arbeitskampfgeschehen. Zu einer relativen Entspannung kam es ab 2015, als der Gesetzgeber die Tarifeinheit in neuer Form wiederherstellte, insbesondere durch § 4a TVG. Im Jahr 2017 erklärte das BVerfG das neue Recht überwiegend für verfassungsgemäß. Jedoch gab es dem Gesetzgeber auf, die Regelung im Interesse des Minderheitenschutzes nachzubessern, was zum 1.1.2019 geschehen ist.

Der Beitrag zeichnet die Entwicklung nach und untersucht die Auswirkungen der alten und der neuen Regeln, insbesondere in den jeweils betroffenen Wirtschaftsbereichen, einschließlich der Luftfahrt und der Kliniken. Die Analyse der richterlich und richterrechtlich gemachten Vorgaben macht nachvollziehbar, warum sich der Schwerpunkt der kollektiven Konflikte in Deutschland seit der Jahrtausendwende von der Industrie in den Infrastrukturbereich verschoben hat. Zuletzt diskutiert der Beitrag die Chancen, welche das neue Recht für einen funktionierenden Gewerkschaftswettbewerb und für ein zukünftig einiges Vorgehen von Belegschaften bietet.


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