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Giesen, Staatslohn statt Mindestlohn

ZFA 2022, 346-375

15.08.2022

Zum 1. Oktober 2022 wird der Mindestlohn gesetzlich auf 12 Euro festgelegt. Diese Festlegung erfolgt erstmals seit dem Erlass des Mindestlohngesetzes (MiLoG) ohne Befassung der Mindestlohnkommission, die aus Vertretern der Sozialpartner zusammengesetzt ist. Das Wahlversprechen der SPD und der Grünen wird stattdessen auf politischem Weg im Parlament eingelöst. Inhaltlich wird diese Festsetzung mit einer Neuausrichtung des Mindestlohns erklärt. Während das bisherige Mindestlohnrecht darauf zielte, ein Minimum an Austauschgerechtigkeit im Arbeitsverhältnis sicherzustellen, folgen die jetzigen Vorschriften dem Prinzip der Bedarfsgerechtigkeit: Die Begründungserwägungen des neuen Gesetzes fordern eine „angemessene Teilhabe am gesellschaftlichen Leben“. Insgesamt bewirkt die Neuregelung eine doppelte Verschiebung im Institutionensystem der Bundesrepublik Deutschland. Die erste Verschiebung liegt in einer Verlagerung der Lohnverantwortung weg von den Sozialpartnern hin auf die politischen Parteien. Die zweite Verschiebung liegt in der Übertragung der Unterhaltsverantwortung für den Arbeitnehmer von diesem auf den Arbeitgeber. Damit verbunden ist eine Verletzung sowohl der Koalitionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG als auch der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG.


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