ZAAR - Zentrum für Arbeitsbeziehungen und Arbeitsrecht
print

Links und Funktionen

Navigationspfad


Inhaltsbereich

Giesen, Gegnerabhängige GDL

NZA 2024, 25 - 28

10.01.2024

Das von den Verantwortlichen der GDL gegründete Leiharbeitsunternehmen Fair train soll bei Eisenbahnverkehrsunternehmen – insbesondere der DB – Lokführer abwerben, damit diese anschließend bei Eisenbahnverkehrsunternehmen – insbesondere der DB – wieder eingesetzt werden. Ziel der GDL ist es, das Angebot auf dem Arbeitsmarkt künstlich zu verknappen, um ein zusätzliches tarifpolitisches Druckmittel – insbesondere gegen die DB – in den Händen zu halten. Zudem kann mittels Leiharbeitsrecht sichergestellt werden, dass den bei der GDL organisierten Arbeitnehmern, wenn sie bei der DB eingesetzt werden, dort mindestens die von der EVG ausgehandelten Arbeitsbedingungen zugutekommen.

Aufgrund der Gründung des Leiharbeitsunternehmens Fair train fehlt es der GDL an der Gegnerunabhängigkeit, die gegeben sein muss, damit eine Arbeitnehmerorganisation Tarifverträge schließen kann. Die Gegnerunabhängigkeit hat laut BAG zur Voraussetzung, dass die eigenständige Interessenwahrnehmung der Tarifvertragspartei nicht „durch personelle Verflechtungen, auf organisatorischem Weg oder durch wesentliche finanzielle Zuwendungen ernsthaft gefährdet ist.“ Diese Bedingungen erfüllt die GDL nicht. GDL und Fair train sind eng personell, organisatorisch und finanziell verflochten; die Verflechtungen sind struktureller Natur und auf Dauer angelegt. Dementsprechend stimmt die GDL ihre gegen die DB gerichteten Tarifforderungen auf die unternehmerischen Ziele der Fair train ab. Die GDL verlangt von der DB kürzere arbeitnehmerseitige Kündigungsfristen, damit die Lokführer im Fall einer Auftragserteilung schneller zur Fair train wechseln können. Und sie fordert von der DB zwecks weiterer Verknappung von Lokführerkapazitäten die 35-Stunden-Woche, während sie mit der Fair train längere Wochenarbeitszeiten vereinbart hat.

Mangels Tariffähigkeit ist die GDL demnach außerstande, wirksame Tarifverträge zu schließen und rechtmäßige Arbeitskampfmaßnahmen zu ergreifen. Diese Konsequenz wurde sofort nach Bekanntwerden der Fair train-Gründung öffentlich diskutiert. Es ist erstaunlich, dass weder GDL noch Fair train darauf reagiert haben.


Servicebereich