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Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

Das AGG ist am 18. August 2006 in Kraft getreten. Es wurde am 14. August vom Bundespräsidenten gegengezeichnet und ausgefertigt und im Bundesgesetzblatt Nr. 39 vom 17. August 2006 (PDF-Dokument, 131 kB) verkündet.

Der Deutsche Bundestag hat in seiner 43. Sitzung am 29.6.2006 das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz in zweiter und dritter Lesung verabschiedet, nachdem noch zwei Tage vor der Sitzung Änderungen zwischen den Koalitionspartnern vereinbart wurden.

Gegenüber dem Regierungsentwurf hat sich im arbeitsrechtlichen Teil insbesondere geändert:

  • Für Kündigungen gelten ausschließlich die Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz (§ 2 Abs. 4).
  • Die Frist zur Geltendmachung eines Anspruchs wurde von 3 auf 2 Monate verkürzt.
  • Die Klagerechte des Betriebsrats und der Gewerkschaften gelten nur in Betrieben, die unter § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrVG fallen, und unter den Voraussetzungen des § 23 Abs. 3 BetrVG.
  • Die Beweislastregel in § 22 wird umformuliert: Beweist das Opfer einer Benachteiligung Indizien, die eine Benachteiligung vermuten lassen, trägt die Gegenseite die Beweislast dafür, daß kein Verstoß gegen das AGG vorgelegen hat.

Nach den Entwürfen für ein Gesetz zur Verhinderung von Diskriminierungen im Zivilrecht (Zivilrechtliches Antidiskriminierungsgesetz (PDF-Dokument, 328 kB)) vom Dezember 2001, einem Gesetz zum Schutz vor Diskriminierungen in Beschäftigung und Beruf (Arbeitsrechtliches Antidiskriminierungsgesetz (PDF-Dokument, 385 kB)) vom Mai 2004 und einem Gesetz zum Schutz vor Diskriminierung (Antidiskriminierungsgesetz (PDF-Dokument, 421 kB)) vom Dezember 2004 wird damit im vierten Anlauf eine Umsetzung der Europäischen Vorgaben erfolgen. Auch nach den kurzfristigen Änderungen vor der Verabschiedung orientiert sich das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz inhaltlich stark am letzten Entwurf des Antidiskriminierungsgesetzes der rot-grünen Bundesregierung.

Kaum in Kraft getreten, erfährt das AGG schon erste Änderungen:

Durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Betriebsrentengesetzes (BT-Drucks. 16/1936) soll § 20 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 3 AGG durch die Streichung der Wörter „oder der Weltanschauung“ harmonisiert werden. Des weiteren sollen die Recht­fertigungs­tatbestände für eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters in der Sozialauswahl und bei Unkündbarkeitsvereinbarungen der Nummern 6 und 7 des § 10 Satz 3 AGG aufgehoben werden. Diese werden ersatzlos gestrichen und nicht etwa in das KSchG integriert, da § 2 Abs. 4 AGG Kündigungen vom Diskriminierungsverbot ausschließt. An dieser umstrittenen Regelung hält der Gesetzgeber fest. 

 

Zu diesem Thema

  • Die Glosse von  Rieble, Diskriminieren, aber richtig!, NZA 2005, Heft 10, Seite VIII
  • Zedler, Besprechung des Urteils C-144/04 - Mangold/Helm, GPR 2006, 151
  • Rieble/Zedler, Altersdiskriminierung durch Tarifvertrag, ZfA 2006, 273

 

Vorgeschichte

Mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) soll der bislang schon bestehende Diskriminierungsschutz (insbesondere Art. 3 Abs. 3 GG und § 611a BGB) ergänzt werden. Das AGG soll einen umfassenden Diskriminierungsschutz im Arbeitsrecht, aber auch im Bereich des öffentlichen Rechts sowie bei privatrechtlichen Verträgen gewährleisten, indem es zusätzliche Rechte bei Diskriminierungen schafft und darüber hinaus die faktische Rechtsdurchsetzung verbessert.

Bereits 1998 wurden in den Bundestag zwei Gesetzesentwürfe zum Diskriminierungsschutz eingebracht, wobei sich der Katalog der zu schützenden Merkmale noch ganz an Art.3 Abs. 3 GG orientierte:

  • Entwurf eines Gesetzes zur Durchsetzung des Gleichbehandlungsgebotes des Artikels 3 Grundgesetz (Gleichbehandlungsgesetz) BT-Drs. 13/10081 (PDF-Dokument, 184 kB)
  • Entwurf eines Gesetzes zum Schutz vor Diskriminierung und zur Stärkung von Minderheitenrechten (Antidiskriminierungs- und Minderheitenrechtsgesetz) Entwurf Antidiskriminierungs- und Minderheitsgesetz BT-Drs. 13/9706

Die Gesetzesentwürfe wurden nicht weiter verfolgt. Das Gesetzgebungsverfahren zur Einführung eines ADG erfolgt nunmehr zur Umsetzung von vier EU-Richtlinien gegen die Diskriminierung

  • von Migranten im Alltag („Richtlinie zur Anwendung des Gleichheitsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft" = RL 2000/43/EG (PDF-Dokument, 121 kB) des Rates vom 29. Juni 2000; auch Antirassismusrichtlinie genannt),
  • von Minderheiten im Berufsleben, denen wegen ihrer Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung eine Benachteiligung drohen kann. („Richtlinie zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf" = RL 2000/78/EG (PDF-Dokument, 134 kB) des Rates vom 27. November 2000; auch Rahmenrichtlinie genannt),
  • von Männern und Frauen beim Zugang zur Beschäftigung („Richtlinie zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen“ = RL 2002/73/EG (PDF-Dokument, 127 kB) des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 zur Änderung der Richtlinie 76/207/EWG; auch novellierte/revidierte Gleichbehandlungsrichtlinie genannt)
  • und der Geschlechter außerhalb des Erwerbslebens („Richtlinie zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen“ = RL 2004/113/EG (PDF-Dokument, 67 kB) des Rates vom 13. Dezember 2004; auch vierte Gleichstellungsrichtlinie genannt).

Zum Teil sind die Umsetzungsfristen abgelaufen: Die RL 2000/43/EG des Rates war bis zum 19. Juli 2003 und die RL 2000/78/EG des Rates vom 27. November bis zum 02. Dezember 2003 umzusetzen.

 

Gesetzgebungsverfahren

Am 10. Dezember 2001 legte die damalige Justizministerin Hertha Däubler-Gmelin erneut einen Ministerentwurf (PDF-Dokument, 328 kB) für ein Gesetz zur Verhinderung von Diskriminierungen im Zivilrecht vor.
Dieser Ministerentwurf erledigte sich durch Ablauf der Legislaturperiode.

Am 6. Mai 2004 veröffentlichte das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Projektgruppe EuRi) einen Referentenentwurf (PDF-Dokument, 385 kB), das die Richtlinien durch ein Artikelgesetz umsetzen sollte, bestehend aus einem Antidiskriminierungsstellengesetz (ADSG), einem arbeitsrechtlichen Antidiskriminierungsgesetz (AADG) sowie Neuregelungen im Zivilrecht. Durch das ADSG sollte eine nationale Stelle zum Schutz vor Diskriminierungen errichtet werden, das AADG sowie die zivilrechtlichen Regelungen sollten Benachteiligungsverbote, die Regelung von Sanktionen sowie Verfahrensregelungen beinhalten.

Am 16. Dezember 2004 brachte die Regierungsfraktion ihren Gesetzesentwurf in den Bundestag ein (BT-Drs. 15/4538 (PDF-Dokument, 421 kB)). Zur Umsetzung der Richtlinien soll ein einheitliches Gesetz für alle Diskriminierungsmerkmale geschaffen werden. Der Entwurf geht z.T. über die Anforderungen der Richtlinien hinaus. Während die EU-Richtlinien nur im Berufsleben einen Diskriminierungsschutz unter Privaten vorsahen, erweitert der ADG-Entwurf diesen, indem er alle  Minderheitenangehörigen auch im Zivilrecht schützt.

Am 21. Januar 2005 erfolgte die erste Lesung im Bundestag (PDF-Dokument, 517 kB).

Durch Entschließung (PDF-Dokument, 113 kB) vom 18. Februar 2005 forderte der Deutsche Bundesrat den Deutschen Bundestag auf, sich bei der Umsetzung der Richtlinien auf das europarechtlich Geforderte zu beschränken und jede darüber hinausgehende Regelung zu unterlassen, die zu einer weitergehenden Einschränkung der Vertragsfreiheit und zusätzlichen Kosten oder unangemessenen Benachteiligungen für die deutsche Wirtschaft im internationalen Rahmen führt.

Am 7. März 2005 erfolgte eine öffentliche Anhörung von Sachverständigen  und Verbänden vor dem  Bundestagsausschuß für Familie, Senioren und Jugend zum Entwurf des Antidiskriminierungsgesetzes.

Am 17. Juni 2005 hat der Bundestag das ADG in zweiter und dritter Lesung, in der nach den Beratungen im Ausschuß geänderten Fassung gegen die Stimmen der Fraktionen von CDU/CSU und FDP beschlossen (BT-Drucks. 445/05 (PDF-Dokument, 3,4 MB)).

Am 8. Juli hat der Bundesrat den Vermittlungsausschuß angerufen (BT-Drucks. 15/5915 (PDF-Dokument, 59 kB)).

In seiner Sitzung vom 5. September 2005 hat der Vermittlungsausschuß beschlossen, die Beratung über das ADG zu vertagen. Nach dem Grundsatz der Diskontinuität (§ 125 S. 1 GOBT, hierzu Klumpp, Diskontinuität und ihre Folgen für das Antidiskriminierungsrecht, NZA 2005, 848) ist das Gesetzgebungsverfahren mit der Neuwahl zum Bundestag am 18. September 2005 erledigt.

Mit Pressemitteilung vom 4.5.2006 hat das Bundesministerium der Justiz einen Entwurf für ein Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (PDF-Dokument, 421 kB) vorgestellt. Dieser wurde von den Regierungsparteien in der Kabinettssitzung am 10.5.2006 gebilligt und soll nun in den Bundestag eingebracht werden. Am 17.5.2006 hat die Bundesregierung den Gesetzentwurf dem Bundesrat als besonders eilbedürftig gem. Art. 76 Abs. 2 Satz 4 GG zur Stellungnahme zugeleitet (BR-Druck 329/06 (PDF-Dokument, 19 kB)).

Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 16.6.2006 eine engere 1:1 Umsetzung der Richtlinie gefordert. Im Arbeitsrecht kritisiert er insbesondere das Klagerecht des Betriebsrates oder einer Gewerkschaft gem. § 17 Abs. 2, die Beweislast-regelung des § 22 und eine fehlende deutliche Klarstellung des Verhältnisses zum Kündigungsschutzgesetz (BR-Drucks. 329/06 (PDF-Dokument, 19 kB)).

Der Bundestag hat den Entwurf in erster Lesung am 20.06.2006 beraten (Plenarprotokoll 16/38 (PDF-Dokument, 722 kB)) und an folgende Ausschüsse verwiesen:
Rechtsausschuss (f), Innenausschuss, Ausschuss für Wirtschaft und Technologie, Ausschuss für Arbeit und Soziales, Verteidigungsausschuss, Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgen-abschätzung, Haushaltsausschuss und Ausschuss für Tourismus.

Am Abend des 27.6.2006 vereinbart die Regierungskoalition Änderungen im Gesetzentwurf (s.o.).

Am 29.6.2006 verabschiedet der Bundestag den (geänderten) Gesetzentwurf (PDF-Dokument, 1,5 MB).

Der Bundespräsident hat das AGG am 14.8.2006 gegengezeichnet.

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz wurde am 17.8.2006 im Bundesgesetzblatt Nr. 39 (PDF-Dokument, 131 kB) verkündet.

 

Stellungnahmen von Professoren in der Ausschußsitzung vom März 2005

 

Stellungnahmen von Arbeitgeberverbänden, Gewerkschaften und Berufsverbänden in der Ausschußsitzung von März 2005

 

Literatur

Bauer/Thüsing/Schunder, Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung europäischer Antidiskriminierungsrichtlinien, NZA 2005, 32

Möllers, Einschränkung der Vertrags- und Gestaltungsfreiheit durch europäische Richtlinien, in: Bottke/Möllers/Schmidt (Hrsg.), Recht in Europa. Festgabe zum dreißigjährigen Bestehen der Juristischen Fakultät der Universität Augsburg, Baden-Baden 2003, Augsburger Rechtsstudien, Bd. 34, S. 189-216 (zum Diskussionsentwurf v. 10.12.2001)

Baer, „Ende der Privatautonomie“ oder grundrechtlich fundierte Rechtsetzung? - Die deutsche Debatte um das Antidiskriminierungsrecht, ZRP 2002, 290


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