Mindestlohn
Arbeitnehmer-Entsendegesetz
Vorgeschichte
In seiner ursprünglichen Fassung trat das Arbeitnehmer-Entsendegesetz am 1.3.1996 in Kraft (BGBl 1996 I, 227 (PDF-Dokument, 243 kB)). Es ermöglichte im Baugewerbe eine Erstreckung der Rechtsnormen eines für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrags auf die Arbeitsverhältnisse ausländischer, nach Deutschland entsandter Arbeitnehmer.
Zum 1.1.1999 wurde § 1 AEntG a.F. um einen Absatz 3a ergänzt, der es dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales ermöglichte, einen Tarifvertrag auf Antrag lediglich einer Partei und anders als nach § 5 TVG ohne Mitwirkung des Tarifausschusses durch Rechtsverordnung für allgemeinverbindlich zu erklären (BGBl 1998 I, 3843 (PDF-Dokument, 521 kB)).
Die Bundestagsfraktion Die Linke forderte am 20.6.2006 im Bundestag die Einführung eines jährlich anzupassenden gesetzlichen Mindestlohns von 8 Euro pro Stunde. Würden tarifvertraglich höhere Mindestentgelte vereinbart, sollten diese allgemeinverbindlich gelten (BT-Drs. 16/1878 (PDF-Dokument, 84 kB)).
2007 wurde der Anwendungsbereich des AEntG erweitert auf das Gebäudereinigerhandwerk (BGBl 2007 I, 576 (PDF-Dokument, 49 kB)) und das Briefdienstleistungsgewerbe (BGBl 2007 I, 3140 (PDF-Dokument, 38 kB)).
Gesetzgebungsverfahren
- Am 9.4.2008 präsentiert die Bundestagsfraktion Bündnis90/Die Grünen einen Entwurf zur grundlegenden Umgestaltung des AEntG (BT-Drs. 16/8758 (PDF-Dokument, 258 kB)).
- Am 8.8.2008 folgt ein Entwurf der Bundesregierung (BR-Drs.542/08 (PDF-Dokument, 121 kB)).
- Ausschüsse des Bundesrats legen eine Empfehlung am 9.9.2008 zum Regierungsentwurf vor (BR-Drs. 542/1/08 (PDF-Dokument, 379 kB))
- Antrag des Landes Berlin am 19.9.2008 zur Bundesratssitzung am gleichen Tag (BR-Drs. 542/2/08 (PDF-Dokument, 84 kB))
- Der Bundesrat nimmt am 19.9.2008 zum Regierungsentwurf Stellung (BR-Drs. 542/08(B) (PDF-Dokument, 26 kB)).
- Am 7.10.2008 bringt die Bundesregierung ihren Entwurf in den Bundestag ein (BT-Drs. 16/10486 (PDF-Dokument, 403 kB)).
- Am 16.10.2008 berät der Bundestag in erster Lesung über den Regierungsentwurf (BT-Plenarprotokoll 16/183 S. 19421A-19443C (PDF-Dokument, 2,4 MB)).
- Der Ausschuß des Bundestags für Arbeit und Soziales hält am 17.10.2008 eine Expertenanhörung ab (Protokoll: Ausschuß-Drs. 16/99 (PDF-Dokument, 342 kB); Stellungnahmen Ausschuß-Drs. 16(11)1117 (PDF-Dokument, 592 kB) und Ausschuß-Drs. 16(11)1155 (PDF-Dokument, 181 kB)).
- Die Fraktion Bündnis90/Die Grünen legt am 21.1.2009 einen Änderungsantrag vor, der eine Öffnung des AEntG für alle Branchen vorsieht (BT-Drs. 16/11676 (PDF-Dokument, 74 kB)).
- Der Ausschuß des Bundestags für Arbeit und Soziales legt seine Beschlußempfehlung ebenfalls am 21.1.2009 vor (BT-Drs. 16/11669 (PDF-Dokument, 167 kB)). Diese entspricht in weiten Teilen dem Regierungsentwurf, allerdings werden sechs weitere Branchen (Wach- und Sicherheitsgewerbe, Entsorgungswirtschaft, Pflegedienste, Großwäschereien, Bergbauspezialdienste und Weiterbildungseinrichtungen) in den Anwendungsbereich aufgenommen.
- Der Bundestag folgt am 22.1.2009 in dritter Lesung der Beschlußempfehlung (BT-Plenarprotokoll 16/200 S. 21585C-21608A (PDF-Dokument, 2,0 MB); Gesetzesbeschluß des Deutschen Bundestages BR-Drs. 52/09 (PDF-Dokument, 179 kB)).
- Der Bundesrat stimmt diesem Gesetzesbeschluß am 13.2.2009 zu (BR-Plenarprotokoll 854 S. 3D-10A (PDF-Dokument, 416 kB); BR-Drs. 52/09(B) (PDF-Dokument, 14 kB))
Wesentlicher Inhalt des beschlossenen Gesetzes
Der Ausschuß des Bundestags für Arbeit und Soziales faßt die Neuregelung des AEntG wie folgt zusammen (BT-Drs. 16/11669 S. 15 f. (PDF-Dokument, 167 kB)):
Das Arbeitnehmer-Entsendegesetz bietet einen Rechtsrahmen, um tarifvertragliche Mindestlöhne für alle Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen einer Branche verbindlich zu machen, unabhängig davon, ob der Arbeitgeber seinen Sitz im In- oder Ausland hat. Tarifvertragsparteien aus Branchen, die in den Anwendungsbereich des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes aufgenommen sind, können hierzu die Erstreckung der von ihnen geschlossenen Tarifverträge auf alle Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen beantragen. Durch eine Rechtsverordnung oder Allgemeinverbindlicherklärung können dann für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen angemessene Mindestarbeitsbedingungen geschaffen werden. Dies gilt gleichermaßen für grenzüberschreitend entsandte und für regelmäßig im Inland beschäftigte Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen. Deshalb wurde Branchen mit einer Tarifbindung von mindestens 50 Prozent das Angebot unterbreitet, in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz aufgenommen zu werden. Bis zum Stichtag am 31. März 2008 haben Tarifvertragsparteien aus acht Branchen die Aufnahme in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz beantragt. Anträge sind auch weiterhin möglich. Wird im Geltungsbereich dieses Gesetzes in einer nach dem 31. März 2008 neu einbezogenen Branche erstmals ein Antrag auf Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrages gestellt, ist mit diesem Antrag zunächst der Tarifausschuß zu befassen. Für den Fall, daß in einer Branche mehrere konkurrierende Tarifverträge bestehen, werden dem Verordnungsgeber für seine Entscheidung über den Erlaß einer Rechtsverordnung weitere Entscheidungskriterien vorgegeben. Es wird klargestellt, daß alle in- und ausländischen Arbeitgeber ausnahmslos verpflichtet sind, ihren in Deutschland beschäftigten Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen die tarifvertraglichen Arbeitsbedingungen zu gewähren, die aufgrund eines allgemeinverbindlichen Tarifvertrages oder einer Rechtsverordnung nach § 7 des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes gelten.
Mindestarbeitsbedingungengesetz
Vorgeschichte
Das Mindestarbeitsbedingungengesetz vom 11.1.1952 trat am 17.2.1952 in Kraft (BGBl 1952 I, 17 (PDF-Dokument, 346 kB)). In der damaligen Fassung regelte es die subsidiäre Zuständigkeit des Staates zur Festlegung von Mindestarbeitsbedingungen, wenn nur eine Minderheit der Arbeitgeber oder Arbeitnehmer eines Wirtschaftszweigs organisiert sind, die Festlegung von Mindestbedingungen erforderlich scheint und kein Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt wurde. Von dieser Regelungskompetenz ist nie Gebrauch gemacht worden.
Gesetzgebungsverfahren
- Im Zuge der Diskussion um Mindestlöhne soll das MiArbG vollständig überarbeitet werden und staatliche Entgeltregeln in Branchen ermöglichen, in denen entweder keine Tarifverträge bestehen oder nur eine Minderheit der Arbeitgeber bzw. Arbeitnehmer tarifgebunden ist. Einen entsprechenden Gesetzentwurf legt die Bundestagsfraktion Bündnis90/Die Grünen am 9.4.2008 vor (BT-Drs. 16/8757 (PDF-Dokument, 186 kB)). Am 8.8.2008 präsentiert die Bundesregierung einen eigenen Entwurf (BR-Drs. 541/08 (PDF-Dokument, 88 kB)).
- Der Bundesrat nimmt am 19.9.2008 zum Regierungsentwurf Stellung (BR-Drs. 542/08(B) (PDF-Dokument, 26 kB)).
- Am 7.10.2008 bringt die Bundesregierung ihren Entwurf in den Bundestag ein (BT-Drs. 16/10485 (PDF-Dokument, 125 kB)).
- Am 16.10.2008 berät der Bundestag in erster Lesung über den Regierungsentwurf (BT-Plenarprotokoll 16/183 S. 19421A-19443C (PDF-Dokument, 2,4 MB)).
- Der Ausschuß des Bundestags für Arbeit und Soziales hält am 17.10.2008 eine Expertenanhörung ab (Protokoll: Ausschuß-Drs. 16/99 (PDF-Dokument, 342 kB); Stellungnahmen Ausschuß-Drs. 16(11)1117 (PDF-Dokument, 592 kB) und Ausschuß-Drs. 16(11)1155 (PDF-Dokument, 181 kB)).
- Die Fraktion Bündnis90/Die Grünen legt am 21.1.2009 einen Änderungsantrag vor, der die Einführung einer generellen Lohnuntergrenze vorsieht, wobei oberhalb dieser Grenze für einzelne Wirtschaftszweige höhere Mindestentgelte festgesetzt werden könnten (BT-Drs. 16/11675 (PDF-Dokument, 92 kB)).
- Der Ausschuß des Bundestags für Arbeit und Soziales legt seine Beschlußempfehlung ebenfalls am 21.1.2009 vor (BT-Drs. 16/11669 (PDF-Dokument, 167 kB)). Diese entspricht in weiten Teilen dem Regierungsentwurf. Entsprechend der Forderung des Bundesrats soll allerdings der Zoll für den Gesetzesvollzug zuständig sein.
- Der Bundestag beschließt den Entwurf am 22.1.2009 in dritter Lesung (BT-Plenarprotokoll 16/200 S. 21585C-21608A (PDF-Dokument, 2,0 MB)).
- Der Bundesrat stimmt diesem Gesetzesbeschluß am 13.2.2009 zu (BR-Plenarprotokoll 854 S. 3D-10A (PDF-Dokument, 416 kB); BR-Drs. 51/09(B) (PDF-Dokument, 12 kB))
Wesentlicher Inhalt des beschlossenen Gesetzes
Der Ausschuß des Bundestags für Arbeit und Soziales faßt die Neuregelung des MiArbG wie folgt zusammen (BT-Drs. 16/11669 S. 16 (PDF-Dokument, 167 kB)):
Mit dem Gesetz soll eine Grundlage für Mindestarbeitsentgelte in Wirtschaftszweigen geschaffen werden, in denen es keine Tarifverträge gibt oder nur eine Minderheit der Beschäftigten tarifgebunden beschäftigt ist, wobei die bisher mögliche Festsetzung „sonstiger Arbeitsbedingungen ausgeschlossen wird. Der Begriff des Wirtschaftszweiges ist weit zu verstehen; er umfaßt Gewerbe und Tätigkeiten. Voraussetzung für die Anwendung des Gesetzes ist, daß in einer Branche keine Tarifverträge bestehen oder die in diesem Wirtschaftszweig bundesweit an Tarifverträge gebundenen Arbeitgeber weniger als 50 Prozent der unter den Geltungsbereich dieser Tarifverträge fallenden Arbeitnehmer beschäftigen. In Wirtschaftszweigen mit einer Tarifbindung von mindestens 50 Prozent können Tarifvertragsparteien die Aufnahme in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz beantragen. Das bisherige Verfahren über die Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen wird modernisiert. Hierfür wird der Hauptausschuß dauerhaft eingerichtet. Dieser stellt durch Beschluß fest, ob in einem Wirtschaftszweig soziale Verwerfungen vorliegen und Mindestarbeitsentgelte festgesetzt, geändert oder aufgehoben werden sollen. Dazu kommen die Fachausschüsse. Die von einem von ihnen in einem schriftlich begründeten Beschluß festgesetzten Mindestarbeitsentgelte können auf Vorschlag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales durch eine entsprechende Rechtsverordnung der Bundesregierung festgesetzt werden.
Literatur
- Thüsing, Mindestlohn im Spannungsverhältnis staatlicher und privatautonomer Regelung, ZfA 2008, 590
- Sagan/Willemsen, Mindestlohn und Grundgesetz, NZA 2008, 1216
- Andrelewski, Staatliche Mindestentgeltregelungen, DStR 2008, 2114
- Hoppe/Menzenbach, Mindestlohn: Gesetzgebungskompetenz der Länder?, NZA 2008, 1110
- Engels, Verfassungsrechtliche Determinanten staatlicher Lohnpolitik, JZ 2008, 490
- Klebeck, Grenzen staatlicher Mindestlohntariferstreckung, NZA 2008, 446
- Hohenstatt/Schramm, Tarifliche Mindestlöhne: Ihre Wirkungsweise und ihre Vermeidung am Beispiel des Tarifvertrags zum Post-Mindestlohn, NZA 2008, 433
- Bayreuther, Gesetzlicher Mindestlohn und sittenwidrige Arbeitsbedingungen, NJW 2007, 2022
- Kocher, Mindestlöhne und Tarifautonomie - Festlegung allgemeiner Mindestentgelte durch Verbindlicherklärung nach AEntG?, NZA 2007, 600
- Fischer, Gesetzlicher Mindestlohn – Verstoß gegen die Koalitionsfreiheit?, ZRP 2007, 20
- Rieble/Klebeck, Gesetzlicher Mindestlohn?, ZIP 2006, 829