Picker/Nemeczek, Der Nacherfüllungsanspruch im Kaufrecht (zugleich Besprechung von BGH, Urt. v. 13.4.2011 – VIII ZR 220/10)
ZGS 2011, 447-457
11.10.2011
Der Nacherfüllungsanspruch des Käufers steht weiter im Mittelpunkt der höchstrichterlichen Judikatur. Der VIII. Zivilsenat hatte bereits 2008 (BGH, NJW 2008, 2837 – „Parkettstäbe-Fall“) sowie 2009 (BGH, NJW 2009, 1660 - „Fliesen-Fall“) entschieden, dass der Verkäufer nach § 439 BGB weder verpflichtet ist, eine vom Käufer ihrem Verwendungszweck entsprechend eingebaute mangelhafte Kaufsache auszubauen noch die zum Zwecke der Nacherfüllung neu gelieferte Sache einzubauen bzw. die hierfür erforderlichen Kosten zu tragen. Grundlegend anders hat jedoch nunmehr der EuGH in der „Gebr. Weber“-Entscheidung (EuGH, NJW 2011, 2269) judiziert: Danach ergebe sich aus Art. 3 der Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie eine verschuldensunabhängige Verpflichtung des Verkäufers, die bestimmungsgemäß eingebaute mangelhafte Kaufsache im Rahmen der Nacherfüllung auszubauen und die nachgelieferte mangelfreie Sache einzubauen oder zumindest die hierfür erforderlichen Kosten zu tragen.
Das hier besprochene Urteil des VIII. Senats vom 13. April 2011 zu der Frage des Leistungsorts der kaufrechtlichen Nacherfüllung steht in unmittelbarem sachlichen Zusammenhang mit den genannten Entscheidungen: Auch für die Ermittlung des Leistungsorts der Nacherfüllung kommt es maßgeblich auf Inhalt und Umfang des in Art. 3 Abs. 2, 3 VerbrGK-RL nur unscharf konturierten Nacherfüllungsanspruchs an. Anders als in dem sog. „Fliesen-Fall“ hat der BGH jedoch diesmal von einer Vorlage an den EuGH abgesehen. Fraglich ist damit nicht nur, ob das Urteil des VIII. Senats mit dem geltenden, auf Art. 3 Abs. 2, 3 VerbrGK-RL basierenden Schuldrecht vereinbar ist. Untersucht wird daher auch, ob der VIII. Senat mit dem Unterlassen der Vorlage gegen seine Vorlagepflicht nach Art. 267 III AEUV verstoßen hat.