Zitieren und Fußnoten
Zitieren von Vorschriften
Viele Juristen können mit ihrem Handwerkszeug, den Rechtsnormen, nicht umgehen. Neben der hermeneutischen Textarbeit (anstelle der verbreiteten Normtextresistenz) geht es um den handwerklichen Umgang im Normzitat. Wer schlampig zitiert, dem traut man auch keinen klaren Gedanken zu.
- In Hausarbeiten, Masterarbeiten und Dissertationen keine Abkürzung von Absätzen, also: § 1 Abs. 3 KSchG statt § 1 III KSchG. Diese Kurzschreibweise ist zulässig nur für (handgeschriebene) Klausuren.
- Mehrere Vorschriften ein und desselben Gesetzes können durch den Paragraphen- oder Artikel-Plural (§§ bzw. Artt.) zusammengefasst werden. Also: §§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 2 KSchG oder Artt. 12, 14 GG. Vorschriften verschiedener Gesetze müssen getrennt geschrieben werden: § 1 Abs. 5 KSchG iVm § 125 InsO!
- Laufende Nummern in einer Vorschrift sind Nummern und keine Ziffern: § 1 Abs. 2 Nr. 3 (nie: Ziff. 3). Ziffern sind Zahlzeichen von 0 bis 9 ohne Ordnungsfunktion. Nummern sind Ordnungszahlen, die eine Reihung verdeutlichen. Eine Ziffer 11 gibt es nicht.
- Unterbuchstaben als Gliederungselement werden mit „Buchstabe“ oder „lit“ zitiert: § 1 Abs. 2 Nr. 3 lit a. Ein Abs. 3a ist möglich, aber nur, wenn der Gesetzgeber zwischen Absatz 3 und Absatz 4 einen neuen Abs. 3a zwischengefügt hat.
- Ein Paragraph mit Kleinbuchstaben (§ 613a BGB) ist eine neue und einheitliche Ordnungszahl, die der Normgeber einfügt. Dementsprechend steht zwischen Zahl und Buchstabe kein Leerzeichen (nicht: § 613 a).
Letzte Klarheit bei Bonnet, Vom Zitieren gesetzlicher (und vertraglicher) Vorschriften, MDR 1989, 594 ff.
Fußnoten
Viele Dissertationen sind Fußnotengebirge. Eigenständige Gedanken oder Argumente gehören in den Text – nicht in die Fußnote. Die Idee, nur üppige Fußnoten (bis zum Amtsgericht Bad Kaff) seien wissenschaftlich, ist Unsinn: Fußnoten sind kein Nachweis eigener Lesetätigkeit, sondern eine Hilfe für den Leser, der Belege und Weiterführendes sucht. Richtlinie: Allenfalls 25% einer Seite dürfen Fußnotentext enthalten. Bei abgearbeiteten Standardproblemen, die für das eigene Werk ohne besondere Bedeutung sind, genügt eine Referenzbelegstelle, etwa: „statt vieler Staudinger/Kaiser (2012) § 346 Rn. 12 m.w.N. zum Streitstand“. Mit einem „statt vieler“ zeigen Sie einen Verzicht auf ein umfangreiches Zitat an. „Statt aller“ kann man als Anmaßung missdeuten, weil Sie ohnehin nie alle Fundstellen gefunden hätten.
a. Formalien
- Fußnoten sind fortlaufend zu numerieren (lateinisch: numerus) – also nicht seitenweise. Zulässig (aber nicht empfehlenswert) ist ein erneuter Zählbeginn in einem neuen Kapitel (oder in der jeweils höchsten Gliederungsebene). Womöglich will ein Leser eine Fußnoten zitieren, wofür die durchlaufende Numerierung eindeutige Ergebnisse bringt.
- Im Text steht das Fußnotenzeichen zur Abgrenzung vom Text hochgestellt. Das macht Word automatisch. Im Fußnotenbereich macht Word das leider auch. Dort stört es wegen der kleineren Fußnotenschrift die Lesbarkeit, weswegen ich normale (nicht hochgestellte) Schrift empfehle. So verfahren viele Verlage.
- Überschriften enthalten keine Fußnoten (Ausnahme: Sternchenfußnoten bei Aufsätzen mit Vorwortfunktion [Widmung, Mitarbeiterangabe oder Herkunftsnachweis, also Vortrag oder Gutachten]).
- Der Fußnotenbereich wird durch einen waagerechten Strich vom Text abgesetzt (das macht Word automatisch).
- Fußnoten enden mit einem Punkt!
b. Zitierweise in der Fußnote
Allgemeine Hinweise
- Die Fundstelle muss exakt benannt werden, also bei Aufsätzen und Gerichtsentscheidungen mit der konkreten Fundstelle, auf die sich das Zitat bezieht. Die in Sozialwissenschaften gelegentlich anzutreffende Zitierweise nur des Buches oder Aufsatzes ohne Fundstelle (dazu Lars Feld [2022a]) mutet dem Leser zu, womöglich ein Buch mit vielen Seiten durchzugehen, um die Belegstelle zu finden. Das ist zumindest leserunfreundlich, womöglich auch unwissenschaftlich.
- Wird eine Gerichtsentscheidung oder ein literarisches Werk mehrmals zitiert, so ist es zulässig, die Fundstelle nur beim ersten Zitat anzugeben und bei den weiteren Zitaten mit einem Verweis zu verfahren. Unsinnig ist das frühere „am angegebenen Ort“ („a.a.O.“). Das ist ein Such- und Arbeitsbefehl an den Leser, der alle vorangehenden Fußnoten anschauen muss. Vielmehr muss die in Bezug genommene Fußnote genannt werden, in der die Fundstelle erstmals angegeben ist. Beispiel: Gutzeit (Fn. 12) § 134 Rn. 12. BAG 20.4.1999 – 1 ABR 9/02 (Fn. 34) unter B III 2 b der Gründe. In Word kann der Verfasser dynamische Referenzfelder anlegen, um nicht von Hand erneut durchnummerieren zu müssen!
- Enthält eine Fußnote mehrere Fundstellen, so werden Gerichtsentscheidungen zuerst – und zwar grundsätzlich dem Range im Instanzenzug entsprechend – zitiert. Also BAG vor LAG, BGH vor OLG oder LG. Werden mehrere Entscheidungen desselben Gerichts zitiert, so sind diese chronologisch (auf- oder absteigend) zu ordnen. Verschiedene Autoren sind entweder chronologisch oder alphabetisch zu ordnen. Werden mehrere Werke eines Autors zitiert, so ist der Autorenname nur beim ersten Zitat zu nennen. Der Name wird bei nachfolgenden Zitaten durch „derselbe“ oder „dieselbe“ ersetzt.
- Von dieser Reihung kann aus sachlichen Gründen abgewichen werden, etwa wenn eine Meinung aus der Literatur sich bei Gericht durchgesetzt hat: Klumpp, Die Privatstrafe, S. 12; dem nunmehr folgend OLG Colmar vom 17.3.1907 – 4 S 15/06, JW 1908, 345. Oder wenn eine gute Idee in einer bahnbrechenden untergerichtlichen Entscheidung entwickelt worden ist. Oder wenn das Bundesgericht den Gedanken in einer Leitentscheidung formuliert hat und spätere Entscheidungen dem wenig hinzugefügt haben. Dann aber braucht es keine Riesenfußnote. Es genügt, die Leitentscheidung zu benennen, mit „und seither ständig, in jüngerer Zeit etwa“ fortzufahren und sodann ein bis zwei aktuelle Entscheidungen zu benennen. Mitunter ist es für den Leser wichtig zu wissen, dass unterschiedliche Senate des Bundesgerichtes einer Auffassung folgen, schon mit Blick auf die Vorlagepflicht zum Großen Senat. Dann kann der Senat explizit genannt werden („später auch der Zweite Senat des BAG“ nebst Zitat) oder die Spruchkörperangabe im Aktenzeichen wird fett ausgezeichnet (so BGH 2.1.2007 – III ZR 56/05, Fundstelle und 8.4.2009 – VIII 134/08, Fundstelle).
- Vermeiden Sie ein ständiges „vgl.“ am Beginn jeder Fußnote; das drückt distanzsuchende Ängstlichkeit aus. Wenn Sie ein Gericht oder einen Autor mit einer Aussage zitieren, muss die Belegstelle das Behauptete ergeben – auch ohne besonderen Vergleich. Überflüssiger noch ist das verbreitete „siehe“ oder „s.“. Da Hörbücher nicht zitiert werden, liegt die Auswahl des maßgeblichen Sinnesorgans nahe. Wenn eine Belegstelle die Aussage als Zitat nicht vollständig deckt und der Verfasser sich davor hüten möchte, dem Zitierten etwas zu unterstellen, so sind aussagekräftigere Distanz-Formulierungen vorzuziehen: „in diese Richtung BGH“, „ähnlich Preis“, „dies deutet an von Hoyningen-Huene“.
- Bei Zeitschriften und Entscheidungssammlungen wird der Jahrgang bzw. die Bandzahl genannt. Hinter einem Komma wird die Seitenzahl angegeben, an der der zitierte Beitrag oder die Entscheidung beginnt; die Abkürzung „S.“ entfällt. Dahinter folgt die Seitenzahl der konkret herangezogenen Belegstelle, entweder nach einem Komma oder in Klammern. Beispiel: BGH 5.7.2001 – I ZR 311/98, BGHZ 148, 221, 230 f; oder BGH 5.7.2001 – I ZR 311/98, BGHZ 148, 221 (230 f).
- Jahresangaben immer vierstellig: Also NZA 2004, 1 ff und nicht: NZA 04, 1.
- Parlamentsvorgänge (Gesetzentwürfe, Ausschussmaterialien, Wortmeldungen in Plenarprotokollen) sind so zu zitieren, wie sie in der DIP-Datenbank (https://dip.bundestag.de/) vermerkt sind. Bundestags- und Bundesratsdrucksachen also mit Legislaturperiode und laufender Nummer (BT-Ds 16/8980) nebst Seitenzahl. Eine Sonderheit gilt für Plenarprotokolle (Mitschrift der Wortmeldungen im Parlament). Hier ist das Plenarprotokoll nach Legislatur und Sitzungsnummer sowie der durchlaufenden Seitenzahl zu zitieren. Damit Wortbeiträge schneller gefunden werden können, ist jede Seite in Viertel aufgeteilt (A bis D), die am äußeren Rand stehen. Sie zitieren also jenes Viertel, in welchem Ihr Zitat beginnt (und nicht etwa jenes, in dem die Wortmeldung des Abgeordneten anfängt). Beispiel: „wörtliches Zitat“ und in der Fußnote: MdB Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Plenarprotokoll 16/167 S. 17759 (B). Leserfreundlich zitieren Sie, wenn Sie in digitalen Dokumenten den in der DIP-Datenbank gefundenen Link auf die Fundstelle hinzufügen.
Spezifika bei Gerichtsentscheidungen
- Bei Gerichtsentscheidungen ist wichtig, welcher Spruchkörper entschieden hat. Womöglich urteilen verschiedene Senate oder Kammern desselben Gerichts unterschiedlich, was wiederum für den Argumentationsgehalt von Bedeutung sein kann. Mitunter kann eine Divergenz so wichtig sein, dass im Text darauf hinzuweisen ist: „Während der Zweite Senat des BAG … , hat der Fünfte Senat …“. Ansonsten werden die Spruchkörper durch das Aktenzeichen ausgewiesen – weswegen es im Zitat genannt werden muss.
- Stets auszuweisen sind jene Spruchkörper, deren Entscheidungen besonderer Schutz vor Abweichung zukommt (Gemeinsamer Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes, Große Senate der Bundesgerichte, Plenum des BVerfG). Umgekehrt sind „mindere“ Spruchkörper mit eingeschränkter Entscheidungsmacht auszuweisen, vor allem also Kammer-Entscheidungen des BVerfG. Dann ist zu zitieren: BVerfG (Kammer) 1.4.2004 – 1 BvR 4/04. Ebenso ist kenntlich zu machen, ob eine Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutz mit seinem nur summarischen Prüfungsmaßstab ergangen ist.
- Gerichtsentscheidungen sind – zum Zwecke der Identifizierung – mit Datum und Aktenzeichen anzugeben. Das Datum allein reicht nicht, weil jeder Spruchkörper idR mehrere Entscheidungen an einem Tag fällt. Das Aktenzeichen ist zwar (fast immer) eindeutig (selten gibt es in einem Verfahren zwei oder mehr Entscheidungen mit demselben Aktenzeichen, vor allem dann, wenn die erste Entscheidung das Verfahren nicht beendet hat: Zwischenentscheidungen, Aussetzungsbeschlüsse, Vorlagebeschlüsse, Hinweisbeschlüsse). Das BAG versieht Vorlagebeschlüsse an den EuGH mit einem Zusatzaktenzeichen ([A] hinter dem Regelaktenzeichen und dementsprechend [B] für die Endentscheidung). Der BGH verfährt nicht so, weswegen Vorlagebeschluss und Urteil dasselbe Aktenzeichen tragen. Die Doppelung hilft vor allem bei Zahlendrehern und Tippfehlern des Autors: Ist das Datum oder das Aktenzeichen fehlerhaft, so hilft die jeweils andere Angabe dem Leser die Entscheidung zuverlässig aufzufinden. Es geht also wie stets um den Dienst am Leser.
- Das „vom“ vor dem Datum ist überflüssig; weglassen schafft Platz. Wenn die Gerichtsentscheidung einen amtlichen (!) Namen hat, wie das beim BGH in Wettbewerbs- und Kartellsachen vorkommt, aber auch bei EuG- und EuGH-Entscheidungen, ist dieser amtliche Entscheidungsname mit anzugeben: EuGH 31.5.1995 – C-400/93 [Royal Copenhagen], EuGHE I 1995, 1275 oder BGH 25.1.2001 – I ZR 323/98 „Trainingsvertrag“, BGHZ 146, 318). Hat sich in der wissenschaftlichen Diskussion ein nichtamtlicher Name etabliert, sollte er im Leserinteresse genannt werden, wobei der nichtamtliche Namenscharakter deutlich werden muss: „die CGZP-Entscheidung des BAG“. Ob es sich um einen amtlichen Namen handelt, entnehmen Sie bitte juris (Kategorie Entscheidungsname, direkt nach Gericht) oder den amtlichen Sammlungen. In den Zeitschriften des Beck-Verlages ist die Notierung mitunter nicht präzise. So wird die BGH-Entscheidung Trainingsvertrag dort falsch als „Mehrfachverstöße gegen Unterlassungsverpflichtung – Trainingsvertrag“ betitelt.
Wichtig: Beim Zitieren von Gerichtsentscheidungen ist wie bei der Literatur nach Möglichkeit die konkrete Fundstelle für das Zitierte anzugeben. Das kann bei amtlichen Sammlungen und anderen Urteilsabdrucken durch eine zweite Seitenzahl geschehen (vor langer Zeit wurde für Zeitschriften die Spalte [Sp.] zitiert). Indes: Digitales Arbeiten verdrängt den Zugriff auf Druckwerke; auch ist nicht immer sichergestellt, dass in Bibliotheken alles immer greifbar ist. Mithin ist bei Gerichtsentscheidungen, die an verschiedenen Orten publiziert werden (amtliche Sammlung, verschiedene Fachzeitschriften) eine Fundstellenangabe vorzuziehen, die unabhängig vom konkreten Publikationsort und dessen Seitenzahlen funktioniert. Früher wurde dafür die Gliederungsstelle angeführt (z.B. BGH … unter B II 1 b bb der Gründe). Exakter ist das Zitieren von Randnummern, weil so absatzgenau jene Textstelle referiert werden kann, um die es geht. Die obersten Bundesgerichte verwenden seit geraumer Zeit (überwiegend ab 2005) amtliche Randnummern im Text – die bei der Zitierung verwendet werden sollten. Wenn Sie die Entscheidung nach der amtlichen Sammlung, einem Abdruck in der Fachzeitschrift oder nach einer Datenbank außer juris zitieren, so sehen Sie dort unmittelbar, ob sie mit amtlichen Randnummern ausgezeichnet ist. Effektiv ist der Zugriff auf solche Entscheidungen via beck-online. Wenn Sie dort Randnummern sehen, handelt es sich notwendig um amtliche. - Vorsicht vor Juris-Randnummern: Juris fügt jedweder Entscheidung, also auch den alten bundesgerichtlichen und den untergerichtlichen eigene Randnummern hinzu. Diese sind kein amtlicher Text (!), sind aber in der juris-Datenbank von den amtlichen Randnummern nicht zu unterscheiden. Sie können danach zitieren – aber eben nur dann, wenn Sie die Fundstelle als „juris-Rn.“ benennen – um sie von amtlichen Randnummern zu scheiden. Für den Leser hat das den Preis, dass er an anderen Fundstellen, also in Zeitschriften oder anderen Datenbanken, keine Randnummer vorfindet.
• Das heißt praktisch: Bei Entscheidungen der obersten Bundesgerichte vor 2005 handelt es sich stets um juris-Randnummern. Spätestens seit 2012 nutzen alle obersten Bundesgerichte unter Einschluss des BVerfG amtliche Randnummern, nicht aber das Bundespatentgericht. In der Zwischenphase von 2005 bis 2012 müssen Sie prüfen, ob es sich um amtliche Randnummern handelt. Unsere Anfrage bei den Bundesgerichten hat folgende Umstellungszeitpunkte auf amtliche Randnummern ergeben: - Bundesverfassungsgericht: seit 2012 (BVerfGE Band 132);
- Bundesgerichtshof: seit 2005 (BGHZ Band 166 und BGHSt Band 51);
- Bundesarbeitsgericht: seit 17.10.2005 (BAGE Band 115 S. 130);
- Bundessozialgericht: seit 1.10.2005 (BSGE Band 91);
- Bundesverwaltungsgericht: seit 15.8.2005 (BVerwGE Band 125) und
- Bundesfinanzhof: seit 2010 (BFHE Band 227)
Spezifika bei Literaturfundstellen
- Autornamen sind hervorzuheben (durch „Kapitälchen“ oder Kursivdruck), nicht jedoch Gerichtsbezeichnungen.
- Vornamen sind in Fußnoten nicht anzuführen – wohl aber im Literaturverzeichnis. Ausnahme ist die Namensgleichheit: Hier muss der Vorname oder sein Anfangsbuchstabe angeführt werden, damit der Leser nicht erst die Fundstelle heranziehen muss, um zu wissen, welcher Huber, Schmidt oder Müller herangezogen wird. Das betrifft nicht nur Allerweltsnamen. Einige Familien bringen namensgleiche Juristen hervor; dem Leser muss dann mitgeteilt werden, ob es um Alfred oder Götz Hueck, Hans oder Heinrich Stoll geht.
- Der Autorname steht grundsätzlich vorne. Also nicht FS Löwisch/Spinner/Wiesenecker sondern Spinner/Wiesenecker FS Löwisch … Anders ist es bei „Gesamtwerken“ wie Kommentaren oder Handbüchern, bei denen sich der vom jeweiligen Autor verantwortete Abschnitt in einen vom Herausgeber und Verlag gestalteten Zusammenhang einordnet. Staudinger/Bork (Jahr) § x Rn. Y; MünchArbR/Oetker …; MüKoInsO/Caspers …
- Der Titel eines Werkes oder Aufsatzes wird in den Fußnoten der Dissertation regelmäßig nicht wiederholt, weil der Leser im Literaturverzeichnis nachsehen kann. Werden mehrere Bücher eines Autors zitiert, lässt sich die Identifizierung durch einen Kurztitel erreichen, der im Literaturverzeichnis anzugeben ist „(zit: Kurztitel)“.
Beispiel: Alexy, Argumentation, S. 307 ff (statt: Alexy, Theorie der juristischen Argumentation. Die Theorie des rationalen Diskurses als Theorie der juristischen Begründung, S. 307 ff); - Kommentare werden nach Paragraphen und Randnummer (Rn.) zitiert – nicht: Randziffer (Ziffern sind Zahlzeichen von 0 bis 9 ohne Ordnungsfunktion, es gibt keine „Ziffer 11“) oder Anmerkung (Anm., vor allem bei sehr alten Kommentaren wie dem Planck); zwischen der Paragraphenangabe und Rn. steht kein Komma – also: § 14 Rn. 12 und nicht: § 14, Rn. 12.
- Werden fremdsprachige Quellen zitiert, muss erkennbar sein, dass die Quelle nicht auf Deutsch geschrieben ist, womit der zitierende Autor ein Übersetzungs- und Missverstehensrisiko eingegangen ist. So hat der damalige Präsident des BAG 1974 folgenden Aufsatz veröffentlicht: Gerhard Müller, La décision du tribunal fédéral du travail de la République d’Allemagne Fédérale du 5 mars 1974 concernant le personnel d'encadrement, in: Études de droit du travail – Offertes à André Brun, 1974, S. 381 ff. Wird der Titel genannt, ist alles klar. Wird abgekürzt zitiert, darf man nicht schreiben: Gerhard Müller, FS Brun, 1974, 381. Das erweckt den Eindruck, es handele sich um eine Festschrift in deutscher Sprache. Besser: Offertes à André Brun [Festschrift], 1974, S. 381.
- Namensänderungen eines Autors sind auszuweisen, wenn Sie Werke vor und nach der Namensänderung zitieren. Für den Leser ist es wichtig zu wissen, dass es sich um ein und dieselbe Person handelt, die unter unterschiedlichen Autorennamen publiziert hat – etwa um Widersprüche oder Meinungsänderungen aufzuzeigen. Das betraf früher das Adeln (Ihering und ab 1888 von Ihering), und betrifft heute Adoption und Ehe mit Namenswechsel (Ruth Bader Ginsburg, bis 1954 Ruth Bader). Die meisten Autorinnen behalten ihren „Mädchennamen“, wenn sie vor der Ehe nennenswert publiziert haben; einige wählen den Doppelnamen. Aber es gibt Ausnahmen. Die Rechtsprofessorin Katharina de la Durantaye hat ihre Dissertation noch als Katharina Schickert veröffentlicht. Seltener Sonderfall ist der Namenswechsel durch Geschlechtsänderung. Die frühere Richterin am Bundesgerichthof Johanna Schmidt-Räntsch hat bis zu ihrer Geschlechtsumwandlung 2014 als Jürgen Schmidt-Räntsch publiziert. Das Offenbarungsverbot im Selbstbestimmungsgesetz hindert das nicht. Wissenschaftliche Redlichkeit und sorgsames Zitieren ist nicht mit einer Schädigungsabsicht verbunden.
c. Funktion
Entscheidend für die Zitierweise ist die Frage: Warum zitiere ich als Autor in einer wissenschaftlichen Arbeit und welche konkrete „Funktion“ hat das konkrete Zitat an der konkreten Stelle für die Arbeit?
Dabei ist stets der Kontext zu berücksichtigen, in dem die Arbeit veröffentlicht wird. Der Adressatenkreis und die Textart sind für den „richtigen“ Einsatz der Fußnotenfunktion essentiell. Der Umfang und der Zweck der Fußnote variieren je nach Veröffentlichungsform (Dissertation, Kommentar, Aufsatz, Blog, Seminararbeit o. Ä.) und Zielgruppe der Leserschaft und sind keineswegs auf eine Funktion beschränkt.
Nachweisfunktion
Zuerst weist die Fußnote fremde Ausführungen (Texte, Gedanken, Ideen – manchmal auch Erschließungsleistungen) nach und belegt den eigenen Zugriff auf den fremden Text.
Quellenbeleg
Niemand forscht im luftleeren Raum und kommt dort zu (neuen) wissenschaftlichen Erkenntnissen (Zwerge auf den Schultern von Riesen). Die eigene wissenschaftliche Arbeit baut auf fremden Erkenntnissen und Meinungen auf und steht gegenüber diesen „Vortexten“ in einem inhaltlichen und systematischen Zusammenhang. Die Fußnote grenzt das Eigene vom Fremden ab (Herkunftsnachweis). Sie führt den Leser darüber hinaus in die mehr oder minder gereifte Diskussion ein. Der Diskussionsstand ist Fundament jeder eigenen Argumentation.
Jeder fremde Text und jeder fremde Gedanke muss durch einen Einzelnachweis begleitet werden. Damit bringt der Autor dem fremden Text und seinem Autor den erforderlichen Respekt entgegen, klärt darüber auf, welches Textfragment und welcher Gedanke von ihm selbst oder aber vom Dritten stammt und schützt sich so effektiv vor Plagiatvorwürfen. Dabei wird einer konkreten Aussage eine Quelle zugeordnet. Deswegen muss die konkret zitierte Entscheidung oder Literatur auch die eigene Textaussage decken: Zitatwahrheit und Zitatklarheit.
Nicht notwendig ist es, Allgemeinwissen zu belegen oder für Juristen Selbstverständliches („Binsen“ des Faches), etwa die Aussage „Der Zweite Weltkrieg dauerte von 1939 bis 1945“ oder „Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft sind getrennt zu sehen und in ihrer Wirksamkeit voneinander unabhängig (Trennungs- und Abstraktionsprinzip)“. Ebenfalls ist darauf zu achten, dass der Einzelnachweis den wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn der Arbeit fördert und dem Leser hilft und nicht bloß der „Ausschmückung“ der Arbeit (Fußnotengeprotze) dient.
Die Form der Aussage kann dabei vielerlei Gestalt haben:
Das unmittelbare oder wörtliche Zitat weist den fremden Gedanken zum Thema direkt nach.
Der Leser erkennt auf diese Weise, dass es sich um keine eigene Idee handelt. Das unmittelbare Zitat ist zu verwenden, wenn der genaue Wortlaut der Aussage für die Arbeit von besonderer argumentativer Bedeutung ist oder nur auf diese Weise der originäre Gedanke zum Ausdruck gebracht werden kann.
Beispiel: Latzel, Verhaltenssteuerung, Recht und Privatautonomie (2020), S. 201 Fn. 336: „ebenso Rüthers/C. Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 340: Es ist um die dauerhafte Stabilität solcher Rechtsnormen, ‚die den moralischen Grundvorstellungen breiter Bevölkerungsschichten zuwiderlaufen, […] schlecht bestellt‘“
Vorsicht bei digital übernommenen Zitaten: Das wörtliche Zitat findet mehr Zuspruch, seitdem Originaltexte online verfügbar sind und mit einfachem copy and paste in die eigene Arbeit überführt werden können. Bei Literatur funktioniert das einigermaßen zuverlässig. Nicht aber bei Rechtsprechung: Beck-Online bearbeitet die Entscheidungen in den Online-Zeitschriften. Typisch ist der Austausch von Kläger zu „Kl.“ und Beklagtem zu „Bekl.“. Auch Normzitierungen werden mitunter verändert – teils, damit Verlinkungen innerhalb des Beck-Systems funktionieren, teils mit Blick auf Zeitschriftenschreibweise. Entscheidungen in (online verfügbaren) Zeitschriften können an nicht ausgewiesenen Textkürzungen leiden. Hier ist juris überlegen: Bis auf die Randnummern ändert das System am Entscheidungstext nichts. Deshalb mein nachdrücklicher Rat: Wenn Sie aus Entscheidungen wörtlich zitieren wollen, konsultieren Sie juris. Bei alten Entscheidungen vor 2005 genießt die von Richtern verantwortete amtliche Sammlung Vorrang vor Zeitschriften mit redaktioneller Textveränderung.
Auch bei der FAZ ist inzwischen Vorsicht geboten: Artikel werden online mitunter nachträglich von der Redaktion geändert – auch wenn ein Originalautor angegeben ist. So geschehen mit einem offenen Brief von Marion Turski an Mark Zuckerberg. Dort heißt es: „Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Fassung konnte eine Satzstellung im zweitletzten Absatz des Beitrags missverstanden werden. Wir haben den Satz umgestellt.“ Unklar ist aber, was geändert worden ist und ob der Autor Turski hierzu sein Einverständnis gegeben hat, die Änderung also autorisiert hat. Damit aber scheidet insoweit jedes wörtliche Zitat aus, weil nicht klar ist, von wem diese Worte stammen (fehlende Autorisierung). Thomas Fischer kritisiert, dass in FAZ.net Änderungen ohne jede Dokumentation vorgenommen würden. Wenn Sie insoweit sichergehen wollen, konsultieren Sie die nachträglich nicht veränderbare Printausgabe – oder das PDF des Originalartikels.
Das „Stützzitat“ belegt einen eigenen Gedanken mittelbar durch eine Fundstelle. Die Fußnote dient als „Stütze“ der eigenen These. Ausreichend ist nicht allein der Verweis auf die Fundstelle. Vielmehr sind eine eigene Begründung und Auseinandersetzung mit dem Problem notwendig. Der Leser muss nachvollziehen können, wieso diese Parallele für die eigene Argumentation hilfreich ist, soweit der Vergleich nicht allgemein anerkannt oder aus sich heraus deutlich wird.
Die „Sammelfußnote“ zeigt den Meinungsstand zu einem Problem auf. In dieser Fußnote werden die Belege „gesammelt“, da sie entscheidend für die eigenen wissenschaftlichen Thesen sind. Um die spezielle neue Erkenntnis präsentieren zu können, müssen die bisherigen Ansätze zur Problemlösung aufgezeigt werden.
Aus einer Sammelfußnote kann schnell ein „Fußnotengebirge“ werden. Dies gilt es zu vermeiden, weil es dem Leser nicht hilft. Die wissenschaftliche Arbeit sein, soll nicht möglichst alle Fundstellen aus Rechtsprechung und Literatur zu einem Thema zu zitieren. Deswegen ist eine aktuelle Fundstelle und je nach Originalität die Primärquelle (erster Aufsatz, erstes Urteil mit dem zitierten Inhalt) zu zitieren. Dies gibt dem Leser die nötige Hilfestellung, die Entwicklung der Diskussion nachzuvollziehen.
Aufgrund der Hilfe- und Informationsstellung solcher Fußnoten dürfen keine „Zitierkartelle“ bedient werden oder die Quellenauswahl nur nach moralischen Kriterien vorgenommen werden. Zwar kann durch den bewussten Einsatz oder das Weglassen von Fußnoten (iVm. den Anmerkungen) die Argumentation in eine bestimmte Richtung gelenkt werden. Einer solch einseitigen Zitierpraxis geht es nicht um Objektivität und das die Wissenschaft prägende Forschen nach der Wahrheit (Gärditz, ZIS 2021, 413, 414; Rieble in FS Adomeit [2008] 619, 622).
Dem Leser muss in ausreichender Form nachgewiesen werden, dass die zitierte Meinung „herrschend“ oder „minder“ in der juristischen Literatur und/oder Rechtsprechung ist. Entweder nutzt man hierfür den Verweis auf ausgewählte Autoren und Urteile oberster Gerichte. Oder man zitiert Fundstellen, die selbst einen umfassenden Nachweis des Streitstands haben.
Beispiel in Latzel, Verhaltenssteuerung, Recht und Privatautonomie (2020) 454: „Allgemeine, nicht spezialgesetzlich geregelte schuldrechtliche Schutzpflichten (§ 241 Abs. 2 BGB) sollen nach noch h.M. grundsätzlich nicht positiv eingefordert werden können (nicht ‚klagbar‘ sein). (Fn. 69: Olzen, Staudinger, 2015, § 241 Rn. 54 ff. m.w.N.; a.A. Bachmann, MüKo-BGB, § 241 Rn. 120).“
In diesem Fall verbietet sich eine Übernahme der „Sekundärliteratur“ aus der Fundstelle. Vielmehr ist auf die Nennungen dort zu verweisen, wenn sie für die eigenen Ausführungen oder den Leser interessant sind.
In einer Dissertation sucht der Leser nicht nach weiterführender Literatur zu einem Schlagwort, das nicht unmittelbar dem Thema zuzuordnen ist. Solche Ausführungen sind weder erkenntnisbringend noch „Dienst am Leser“. Keinesfalls sollte der Eindruck entstehen, dass man nur ein Werk ausgewertet hat und sich stets durch den Zusatz „mit weiteren Nachweisen“ (m.w.N.) Recherchearbeit erspart. Noch weniger geht es an, aus dem einen gelesenen Werk Zitate blind zu übernehmen. Jener Text mag ein Fehlzitat enthalten; dann ist Abschriftstellerei nachgewiesen. Noch schlimmer: Jener Autor hat das von ihm Zitierte nicht oder falsch verstanden.
Primäre und sekundäre Quellen
Im Grundsatz gilt: Es ist die Primärquelle zu zitieren, also diejenige Literaturstelle oder die Gerichtsentscheidung, in der die maßgebliche Aussage zuerst geäußert worden ist. Führen Sie im Text eine Ansicht der Rechtsprechung aus, muss diese Aussage in der Fußnote notwendig mit dem Rechtsprechungszitat belegt werden und nicht mit einem Lehrbuch oder Aufsatz, mit welchem Sie auf die Entscheidung gestoßen sind.
Bei gereiften Diskussionen, die nach Jahrzehnten zu einer verfestigten Meinung eines Bundesgerichts oder der Literatur geführt haben, kann das 47 Jahre alte erste Stück (Entscheidung oder Publikation) seine Bedeutung für die Diskussion verloren haben, insbesondere weil die Argumentation verfeinert worden ist, eine veränderte Lebenswelt andere Argumente erfordert oder geänderte Normen zu berücksichtigen sind. Dann ist es sinnvoll, jüngere Stellen zu zitieren.
Es gibt Ausnahmen: Mitunter ist die Primärquelle nicht oder nur schwer erreichbar. So mag ein Richter in einem Aufsatz ein nicht veröffentlichtes Urteil seines Spruchkörpers zitieren – oder ein Autor eine (noch) nicht veröffentlichte Quelle. Dann ist das Zitat der unzugänglichen Quelle erlaubt, mit dem Zusatz „zitiert nach“ und sodann die Sekundärquelle. Damit wird aufgedeckt, dass der Inhalt nur über die Sekundärquelle bekannt ist – weswegen sich der zitierende Autor für deren Echtheit und Inhalt nicht verbürgt. Es ist ein „Zitat vom Hörensagen“.
Plagiat
Die (korrekt gesetzte) Fußnote hat neben dem wissenschaftsspezifischen Selbstschutz vor Plagiatvorwürfen eine urheberrechtliche Legitimations- und Nutzungsfunktion.
Das Mittel, um fremde geistige Schöpfungen kenntlichzumachen und vor einem Plagiatvorwurf zu schützen, ist das Zitat. Wissenschaftliche Arbeiten – insbesondere in der Rechtswissenschaft – sind gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG urheberrechtlich geschützte Werke. Geschützt sind nur „persönliche geistige Schöpfungen“, § 2 Abs. 2 UrhG, also der eigene Text. Um „fremde“ Erkenntnisse kenntlich zu machen und die rechtlichen Folgen der Urheberrechtsverletzung zu verhindern, werden Urheber zitiert.
Nicht geschützt durch das Urheberrechtsgesetz sind amtliche Werke – wie Gesetze, Rechtsprechung und Tarifverträge, § 5 Abs. 1 UrhG. Der Normtext wird nur mit dem Paragraphen selbst belegt. Eine Fußnote mit der Fundstelle im Bundesgesetzblatt ist bei unbekannten oder nicht häufig verwendeten Normtexten angezeigt („Dienst am Leser“).
Die urheberrechtliche Legitimationsfunktion der Fußnote ergibt sich aus der Richtlinie 2001/29/EG. Demnach soll die „Zitatfreiheit […] die geistige Auseinandersetzung mit fremden Werken erleichtern. Die Verfolgung eines Zitatzwecks im Sinne des § 51 UrhG erfordert daher, dass der Zitierende eine innere Verbindung zwischen einem fremden Werk und eigenen Gedanken herstellt und das Zitat als Belegstelle oder Erörterungsgrundlage für selbständige Ausführungen des Zitierenden erscheint“ (BGH 30.4.2020 – I ZR 115/16, NJW 2020, 3248 Rn 53 m.w.N.). Unzulässig ist es daher zum Beispiel, reine Textcollagen ohne Zustimmung des Urhebers der Texte zu veröffentlichen.
Erkannte Fremdplagiate dürfen nicht ohne Hinweis zitiert werden. Das ist wissenschaftliches Fehlverhalten, weil das Plagiat sich so in der Diskussion fortsetzt und den Originalautor der plagiierten Stelle aus dem Diskurs verdrängt (OLG Frankfurt 19.12.2019 – 16 U 210/18, juris-Rn. 41 f). So hat das BVerfG im Bankenunionsurteil (30.7.2019 – 2 BvR 1685/14 ua., BVerfGE 151, 202 Rn. 139) die Fake-„Habilitationsschrift“ von Gaitanides zitiert und den für die konkrete Stelle maßgeblichen Originalautor Endler übersehen. Im Umgang mit solchen Plagiaten gibt es zwei Wege: Entweder verschweigt man Plagiat und Plagiator und verhindert so den wissenschaftlichen Weiterfresserschaden. Setzt sich der Autor indes mit einer Diskussion auseinander, in der ein Plagiat einer bestimmten Autorin eine erhebliche Rolle spielt, bedeutet das einfache Verschweigen wiederum Irreführung. In diesem Fall bleibt nur die Aufdeckung, etwa nach folgendem Muster: „Das in der Diskussion zitierte Werk von Gaitanides ist ein Plagiat, hierzu BGH 9.3.2021 – VI ZR 73/20, NJW 2021, 1756 und https://vroniplag.fandom.com/de/wiki/Chg [9.11.2024]. Deshalb berücksichtige ich jene Schrift nicht.“
Überprüfungsfunktion
Das Zitat dient dem Leser zu überprüfen, ob die Aussage wirklich mit der in der Fußnote zitierten Quelle übereinstimmt. Auf diese Weise kann er sich selbst von der „Richtigkeit“ überzeugen. Daher muss die Fußnote stets nach dem zu belegenden Gedanken gesetzt werden. Führen Sie in einem Satz mehrere verschiedene Ansichten aus, ist nach jeder Ansicht – und nicht erst am Satzende – die Fußnote zu setzen.
Kein Nachweis „wissenschaftlichen Arbeitens“
Die Fußnote selbst sind nicht das wissenschaftliche Arbeiten. Diese (leider verbreitete) Sicht vertauscht Ursache und Wirkung. Anspruch einer rechtswissenschaftlichen Arbeit ist es, sich umfassend mit dem aktuellen Stand der Literatur und Rechtsprechung zum Thema auseinanderzusetzen. Die Fußnoten sind Teil dieser Auseinandersetzung – erübrigen aber nicht die argumentative Durchdringung. Wer Fußnoten als „Pfauenrad“ zum Schmuck der eigenen Arbeit begreift, hat wenig begriffen.
Bewertungsfunktion
In der Fußnote bewertet der Autor Quellen in verschiedenster Hinsicht.
Zum einen sortiert der Verfasser die unwichtigen von den wichtigen Quellen. Die Auswahl und Bewertung nehmen dem Leser die Arbeit, zu dem Thema selbst die „wesentlichen“ Materialien auszuwerten. Gezielt muss daher eine Vorauswahl getroffen werden. Hierdurch wird eine Materialschlacht ohne Erkenntnistiefe vermieden.
Zum anderen bewertet der Autor die Quelle inhaltlich und nimmt Stellung. Über Anmerkungen bringt der Autor in der Fußnote seine Zustimmung oder Ablehnung zum Ausdruck. Der Leser vollzieht dadurch nach, ob sich der Autor mit den Ansichten auseinandergesetzt hat und ob eine vorherrschende oder eine singuläre Meinung vertreten wird, die ihrerseits überzeugend bis abwegig sein kann. Zudem kann der Leser die Arbeit so für sich einordnen und überprüfen. Sich allein auf die Bewertung in der Fußnote zu stützen, reicht nicht aus. Daher ist es erforderlich, sich mit den wesentlichen Werken für die eigene wissenschaftliche Arbeit auseinanderzusetzen und diese zu zitieren. Was wiederum wesentlich ist, obliegt der Bewertungsfunktion des Autors. Eine weitere Bewertung folgt aus der Form des Zitats.
Anmerkungsfunktion?
Inhaltliche Ergänzungen zum Text, welche nicht zwingend zum Verständnis des Textes notwendig sind oder den Lesefluss unterbinden, können als Anmerkung in der Fußnote formuliert werden. Zusatzinformationen, didaktische Hinweise und Erklärungen dienen jedoch dem allgemeinen Verständnis des Textes und der gewählten Quelle, weshalb diese Anmerkungen für das Gesamtwerk notwendig sind.
Eigene Ausführungen zum Textverständnis gehören in den Text selbst. Die Anmerkungen sind kein Ort, um nicht erkenntnisbringende Ausführungen zu machen oder eine besondere Belesenheit unter Beweis zu stellen.
„Distanz«-Funktion
Die Zitierung hindert nicht nur die positive Zuschreibung von Text und Gedanken und ist nicht bloß Ausdruck von Bescheidenheit. Als Negation der eigenen Autorschaft verhindert sie auch die eigene Autorisierung. Mit dem wörtlichen Zitat oder der indirekten Rede macht der Verfasser klar, dass nicht er selbst, sondern ein anderer für diese Gedanken steht. Das ist insbesondere dann wichtig, wenn „unsinnige“, gar „abwegige“ oder auch „anstößige“ Ansichten mitgeteilt werden. Am drastischen Beispiel: Wer einen Aufsatz aus der Nazi-Zeit oder aus der DDR zitiert, um sich mit einer totalitären Idee auseinanderzusetzen, macht mit dem Zitat nebst Fußnote zunächst klar, dass jener Text und Gedanke nicht der eigene ist. Mit jedem Zitat distanziert sich der Autor vom fremden Text, erklärt ihn zum „nicht-eigenen“. Das gilt auch dann, wenn der Verfasser sich zum Zitat zustimmend verhält. Eigene Zustimmung zu einem fremden Text oder Gedanken ist etwas grundlegend anderes als ein eigener Text und Gedanke. Eigene Autorschaft kann der Zitierende nur für das zusätzliche Argument beanspruchen.
Keine Zitierverbote
Vielfach werden in Ungnade gefallene Autoren mit einer damnatio memoriae belegt, in der Wissenschaft also mit einem unausgesprochenen Zitierverbot. Mitsch berichtet von einem solchen Zitierverbot am Lehrstuhl einer Professorin, die sich durch die kritische Rezension einer von ihr betreuten Doktorarbeit angegriffen fühlte (ZIS 2020, 522). Wie armselig und wie wenig Selbstbewusstsein! Auch einzelne Senate von Bundesgerichten haben unbotmäßige Kritik an ihren Entscheidungen mit Zitierausschluss für den jeweiligen Senat beantwortet. Mir sind mehrere Fälle aus älterer Zeit bekannt, die ich mangels Veröffentlichung nicht spezifizieren kann.
Ein hartes Beispiel: Thüsing zitiert in einem arbeitsrechtlichen Aufsatz NZA 2005, 1280 in Fn 2 eine arbeitsrechtliche Uraltveröffentlichung von Roland Freisler aus dem Jahr 1923: „Darunter auch – heute wohl nicht mehr zitierfähig – R. Freisler, Tarifkonkurrenz und Tarifpluralität, NZfA 1923 Sp. 477ff“. Ein damaliger Vorsitzender Richter am BAG regte sich fachöffentlich mündlich auf und hielt das für „unverantwortlich“. Indes: Wenn Freisler vor seinem schrecklichen Wirken in der Nazizeit (Justizterror, dazu Wassermann DRiZ 1994, 281 mwN) einen arbeitsrechtlichen Gedanken als erster hatte, dann ist es unredlich, dies zu verschweigen. Seine Dissertation „Grundsätzliches über die Betriebsorganisation“ (1922) enthält Gedanken, an denen ihm die Urheberschaft nicht abgesprochen werden kann. Das postmortale Urheber-Persönlichkeitsrecht endet nicht und gilt auch für Straftäter und andere diskreditierte Personen. Eine „Zitierfähigkeit“ nach moralischen oder sozialethischen Maßstäben oder gar eine „wissenschaftliche Entnazifizierung durch Zitatverbot“ kann es nicht geben. Das bedeutete ein nachträgliches Wissenschaftsverbot – womit man sich auf das Niveau der Reichsschrifttumskammer begibt und Autoren nach „Volksschädlichkeit“ aussortiert. Jener Bundesarbeitsrichter ist rechtswissenschaftlichem Feinddenken erlegen.
Umgekehrt gilt: Das Zitat in der wissenschaftlichen Schrift hat eine ausschließlich wissenschaftliche Funktion. Es soll den Leser über die Herkunft von Gedanken informieren. Es ist weder Machtinstrument der Zitierkartelle noch Belohnung für Systemkonformität oder gar Ehrerbietung (außer in Festschriften und gewidmeten Aufsätzen). Deswegen sind „missliebige“ Autoren wie alle anderen zu zitieren: Zitatwahrheit und Zitatklarheit.
d. Umfang
Der Umfang und das Ausmaß der Fußnote folgen der im Text verarbeiteten Literatur und der konkreten Funktion der Fußnote. Dient die Fußnote dem Nachweis und Plagiatvorwurfsschutz, enthält sie nur eine Quelle. Dies muss nur dann die (zeitlich) primäre Quelle sein, wenn es auf diese aufgrund der Originalität der Aussage oder Begründung einer Theorie im besonderen Maße ankommt. Bei den Ausführungen zu einer ständigen Rechtsprechung reicht es aus, diese mit einem neueren Urteil zu belegen (z.B. ständige Rechtsprechung zuletzt BAG 21.10.2019 – 3 AZR 429/18, BAGE 168, 150).
Dient die Fußnote einer anderen Funktion, ist der Umfang entsprechend zu vergrößern. Die Bezeichnung einer Ansicht als „herrschende Meinung“ ist durch entsprechende Fundstellen aus Rechtsprechung und Literatur zu belegen. Der Umfang richtet sich in dem Fall nach der Bedeutung der Frage für den Erkenntnisgewinn der Arbeit. Falsch sind quantitative Belegvorgaben wie z.B., die herrschende Meinung erfordere mindestens drei Belege (so aber Byrd/Lehmann, Zitierfibel für Juristen, 2. Aufl. 2016, 112). Drei Urteile desselben Bundesspruchkörpers erzeugen keine herrschende Meinung. Geht es um eine Frage, die für die eigene Argumentation eher randständig ist, genügt das Zitat eines Urteils, eines Aufsatzes oder einer Kommentarstelle, wenn dort die Frage schulmäßig und ausgedehnt abgehandelt ist. Sie wollen doch die Aufmerksamkeit des Lesers für Ihre Kerngedanken und nicht für jedwedes argumentative Beiboot.
3. Querverweise
Vielfach ist erforderlich, innerhalb des eigenen Textes Querverweise vorzunehmen. Das geschieht meist maximal leserunfreundlich auf Gliederungsebenen: dazu oben § 1 B I 3 b [4]. So hält man den Leser nur davon ab, dem Verweis durch Blättern oder Nachschau im Inhaltsverzeichnis nachzugehen. Verweisen Sie daneben auf Seitenzahlen. Beides (Verweis auf Gliederungsebene und Seitenzahlen) kann in Word mithilfe dynamischer Referenzfelder vorgenommen werden. Noch ist es unüblich, in Dissertationen mit Randnummern zu arbeiten. Indes ist dies die beste Möglichkeit, eine Textstelle exakt zu zitieren und dementsprechend klare Querverweise vorzunehmen.
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